Teil I:
Leben und Werk einer ehemaligen intimen Schülerin Rudolf Steiners
Von Imre Boejtes
Mit dieser Studie möchte der Verfasser eine in anthroposophischen Kreisen wenig bekannte Persönlichkeit darstellen, die sich unter dem Pseudonym Intermediarius verbirgt. Wie verschleiert in ihrer Anonymität steht diese Persönlichkeit auf der großen Bühne der Esoterik. Die vorliegende Arbeit möchte zu ihrer „Entschleierung“ beitragen. In einem ersten Teil wird versucht, die Identität des Intermediarius zu enthüllen, wobei auch ihr Lebenslauf bekannt wird. Im zweiten Teil werden die schweren Einwände der Anhänger Intermediarius gegen die Anthroposophie aufgezeigt. Der dritte Teil ist der esoterischen Lehre des Intermediarius selbst gewidmet. Der vierte und letzte Teil bringt seitens des Verfassers einige Kritiken zum Werk des Intermediarius.
Zum ersten Mal tauchte der Name „Intermediarius“ 1949 in anthroposophischen Schriften auf. Damals wurde aus dem Leserkreis der Zeitschrift Studienhefte für Anthroposophie eine Frage über „ein interessantes und bedeutsames Werk“ gestellt. Im Leserbrief wurde die Bitte geäußert, dass der Herausgeber, Maximilian Rebholz, zu diesem Werk Stellung nimmt.[1] Bei diesem Werk handelte es sich um vier Bücher, dessen Autor mit einem Pseudonym „Intermediarius“ (d.h. Vermittler) unterzeichnete. Mit der gestellten Frage wollte der Leser wissen, ob man es hier mit einer originalen christlich-esoterischen Leistung zu tun hatte oder mit einer Art katholischen Geisteswissenschaft, um der Anthroposophie das Wasser abzugraben.
In seinem Antwortschreiben musste M. Rebholz am Schluss seiner ausführlichen Darstellung des Werkes des Intermediarius ein sehr vorsichtiges Urteil äußern. Er meinte aber, dass dieses Werk die größte Aufmerksamkeit der Anthroposophen verdient, weil es viel Parallelen mit dem Werke Rudolf Steiners aufweist. Er schrieb, dass „ein Urteil darüber, ob es sich bei diesen vier Büchern des Intermediarius um ein Plagiat im Dienste der katholischen Kirche handelt oder um eine originale esoterische Leistung, möchten wir uns vorläufig nicht erlauben. Die angeführten Parallelen brauchen nicht unbedingt ein Beweis des Plagiates zu sein.“
Ferner sagte er: „Epochal aber ist und bleibt das Werk auf alle Fälle hinsichtlich seiner Rolle, die es innerhalb des katholischen Glaubenskreises zu spielen bestimmt zu sein scheint. Denn alles, was bisher an christlicher Gnosis von der Kirche herausgestellt oder begünstigt wurde, um ein Gegengewicht zur Anthroposophie zu schaffen, ist bedeutungslos gegenüber dieser christlichen Esoterik des Intermediarius.“
Über die Identität des Intermediarius wusste damals M. Rebholz nur soviel, dass es sich um eine Holländerin mit Namen Johanna van der Meulen handelte, die sich in Locarno-Monti, Schweiz, niedergelassen hatte. Ob sie in irgendwelcher Beziehung zur Anthroposophie gestanden hatte, wusste er nicht. Das Interesse, diese Frage zu verfolgen, schien bei den Anthroposophen nicht vorhanden zu sein, so dass der Name und das Werk des Intermediarius wieder ignoriert wurden. Erst 1986 taucht sie wieder auf, aber indirekt, in einem ganz anderen Zusammenhang. In der durch H. Finsterlin herausgegebenen Zeitschrift Erde und Kosmos (1986, Nr. 1, S. 44), schreibt er am Schluss eines kritischen Aufsatzes über Valentin Tomberg Folgendes über Intermediarius:
„Es gibt Leute, die glauben, es wäre an der Zeit, die Anthroposophie mit dem Katholizismus zu verbinden. Dieser Wirrwarr wird ‚Hermetik‘ genannt. Sie stützen sich außer auf die ‚Grossen Arcana‘ (von Tomberg), auch auf die in den 20er Jahren erschienenen vier Bücher des Intermediarius. Diese vier Bücher enthalten allerlei aus der Geheimwissenschaft im Umriss abgeschriebenes, außer Reinkarnation und Karma, außer Ahriman. In der katholischen Geheimlehre, die Intermediarius verbreitet, wird das Prinzip des Bösen allein durch Luzifer vertreten. Es gibt keine Hinweise auf die Dreigliedrigkeit des Menschen und keine auf dessen unsterblichen Wesenskern = das Ich. Fast ist es unbegreiflich, dass sich Menschen finden, die so etwas der Anthroposophie vorziehen.“
Hier ist zu bemerken, dass Herr Finsterlin die Werke von Intermediarius offen-sichtlich nicht oder nur oberflächlich gelesen hat, sonst hätte er nicht solche falschen Aussagen gemacht!
Die Antwort in Bezug auf diese Stelle über Intermediarius von Prof. M. Kriele, Herausgeber der Werke von V. Tomberg[2], lautete wie folgt: „Von Intermediarius höre ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal […] Wie kommen Sie dazu, ihn mit Tomberg in Verbindung zu bringen?“ (Erde und Kosmos, 1986, Nr. 2, S. 35) – (Meine eigenen Untersuchungen haben keine Beziehung oder Bekanntschaft zwischen Intermediarius und V. Tomberg finden können.)
Im gleichen Heft der Zeitschrift (1986/2, S. 37-43) schreibt H. Finsterlin ferner: „Es ist noch kurz auf [Klaus Johannes] Brackers Zuschrift einzugehen. Er will mir einreden, dass Intermediarius sehr wohl das Ich, den unsterblichen Wesenskern des Menschen sowie Reinkarnation und Karma berücksichtige. Das aber, was er zum Beweis zitiert, sind reine Randbemerkungen ziemlich verklausulierter Art […] In der Anthroposophie stehen gerade diese Begriffe voll im Zentrum […]“[3]
Weiter schreibt er noch: „Bracker nimmt Bezug auf einen Kommentar, den Maximilian Rebholz im Jahre 1950 geliefert hat. […] Ich kannte Rebholz‘ Kommentar nicht, wurde erst durch Bracker darauf aufmerksam. Natürlich konnte und wollte ich in einer kurzen Bemerkung nichts Gleichwertiges beibringen. Die Ausführungen Brackers möchte ich doch nicht in meinem Heft bringen, denn sie sind eine Werbung für Intermediarius, wobei Bracker seinen Standpunkt vertritt und den meinen als auf mangelnden Studium beruhend und deshalb falsch hinstellt. Er kann eigentlich nicht erwarten, dass ich das aufnehme.“
So bringt H. Finsterlin den Text von M. Rebholz in seiner Zeitschrift (S. 45-48) und schreibt dazu: „Als Rebholz diese Besprechungen des Intermediarius schrieb (1950), gab es keine Initiativen von ‚Anthroposophen‘, die ihre Anthroposophie mit ihrem Katholizismus verbinden und solches zu tun auch anderen anraten wollten. Wäre ihm so etwas bekannt geworden, hätte er seinen Vorbehalten mit Sicherheit sehr viel deutlicheren Ausdruck verliehen. Das beweisen seine anthroposophischen Arbeiten! Intermediarius kann für Katholiken von Bedeutung sein, sie zum Begreifen der Anthroposophie vorzubereiten, aber er ist von keinerlei Bedeutung für die Schulung des Anthroposophen! Wer wird schon von einem rationalen Geist wie Rudolf Steiner übergehen wollen zu einer mehr subjektiv bestimmten Seherin?“
Wer war nun eigentlich Intermediarius – Johanna v.d. Meulen? Hatte sie eine Beziehung zur Anthroposophie oder sogar zu Rudolf Steiner? Eine vorläufige Antwort gab mir der deutsche Arzt Dr. Hubert Palm aus Konstanz-Wallhausen. Er hat die Autorenrechte an den Büchern von Intermediarius inne. In einem ersten Brief teilte er mir mit, dass Intermediarius doch während einiger Jahre eine der engsten Mitarbeiterinnen von Rudolf Steiner war. Weil am Goetheanum keine näheren Angaben über eine Frau namens Johanna v.d. Meulen als „enge Mitarbeiterin Rudolf Steiners“ zu finden waren, bat ich erneut Dr. Palm um weitere Auskünfte. Er antwortete, dass er Frl. van der Meulen persönlich gut gekannt habe, so dass er mir allerlei erzählen könnte und lud mich zu einem persönlichen Gespräch ein.
Dr. Palm, Jahrgang 1916, entdeckte das Werk des Intermediarius kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in Deutschland, als Medizinstudent. Dieses Werk beeindruckte ihn tief und erfüllte seine religiöse und okkulte Suche. Er suchte die Autorin persönlich auf. Sie wohnte in Locarno-Monti, Schweiz, wo sie ganz zurückgezogen eine kleine Gruppe von Menschen geistig führte. Es waren einige ehemalige Anthroposophen dabei, so Lew Kobylinskij-Ellis, ein russischer Emigrant, von dem noch ausführlicher zu sprechen sein wird. Dr. Palm wurde Schüler des Intermediarius und hielt sich deshalb öfters in ihrem Haus in Locarno auf. Als 1959 die Geisteslehrerin mit 85 Jahren starb, übernahm er den Nachlass des Intermediarius sowie die Urheberrechte ihres Werkes. Er gründete eine Stiftung und den Ordo-Verlag mit Sitz in Konstanz. Seitdem wurden Die Vier Bücher des Intermediarius zweimal aufgelegt. Ferner sind auch seine eigenen Bücher dort erschienen.[4]
Über die Persönlichkeit hinter dem Pseudonym „Intermediarius“ erfuhr ich, dass sie 1874 in Holland geboren wurde. Johanna van der Meulen, wie sie hieß, entstammte einer reichen und vornehmen Familie aus Amsterdam.
Johanna van der Meulen (1874 – 1959)
Die „Casa Fioretti“ in Locarno, wo sie später wohnte, gehörte ihrer Familie. Dieser Wohlstand ermöglichte ihr ein finanziell unabhängiges Leben. Mystisch veranlagt, fühlte sie sich sehr früh mit der katholischen Kirche verbunden, obwohl die Familie protestantisch war. Diese Verbundenheit bedeutete für sie aber keine konfessionelle Sturheit. Ihr höchstes Ideal bestand in dem Bild einer wiedervereinigten ökumenischen Kirche im Sinne Wladimir Solowjews. Durch ihre hellseherische Gabe erkannte sie, dass der alte „Glaube“ heute ergänzt werden muss durch eine neue „Weisheit“. Diese zwei Pole, „Glaube“ und „Weisheit“, sollten harmonisch in einer Synthese verschmelzen und das neue Christentum der Zukunft vorbereiten. Die Suche nach der „Weisheit“ führte sie in die Theosophische Gesellschaft. Sie wurde Mitglied der von Rudolf Steiner geleiteten deutschen Sektion der T.G. in Berlin. Sie fühlte sich zu R. Steiner hingezogen, besonders, weil er als einziger in der T.G. ein tieferes Verständnis für das Mysterium von Golgatha hatte. Sie wurde seine intime Schülerin. Nach einiger Zeit fühlte sie jedoch, dass sie sich von ihm zu distanzieren hätte. Ihre mehr „mystisch“ orientierten Anschauungen stimmten mit dem „Wissenschaftlichen“ von R. Steiner nicht mehr überein. Sie verließ die Gesellschaft, behielt aber lebenslang, wie Dr. Palm mir berichtete, großen Respekt gegenüber Rudolf Steiner und verleugnete ihn nie. Von einer übersinnlichen hohen Wesenheit empfing sie 1913 den Auftrag, ein erstes esoterisches Buch aus der Mysterienweisheit des Heiligen Gral zu schreiben. Bis 1927 sollten noch drei weitere Bücher aus dem Weisheitsschatz der Rosenkreuzer folgen. (Diese sollen in den nächsten Novalis-Ausgaben ausführlich betrachtet werden.) Es sei hier noch erwähnt, dass ihre Bücher bis heute keine große Resonanz gefunden haben – weder bei den Anthroposophen noch bei den Katholiken. Soviel zu den Mitteilungen von Dr. Palm.
Das Rätsel der Identität
Die Frage aber, warum „Johanna v.d. Meulen“ in der anthroposophischen Literatur nie erwähnt wird, blieb noch immer offen. Sie war doch immerhin eine „intime Schülerin“ R. Steiners, wie etwa die berühmte Mathilde Scholl oder eine Johanna Mücke!
Das Rätsel löste sich mir 1996 durch die Veröffentlichung von Heide Willichs Dissertation über Leben und Werk eines russischen Symbolisten.[5] In ihrer Arbeit (S. 179) schreibt sie in einem Zusammenhang, der später erläutert wird, dass Johanna van der Meulen in anthroposophischen Kreisen damals den Namen ihres Mannes trug und Johanna Po(o)lman(n) – Mo(o)y hieß! Erst nach ihrer Scheidung, gleichzeitig mit ihrem Austritt aus der Anthroposophischen Gesellschaft, nahm sie ihren Mädchennamen „van der Meulen“ wieder an.
Die gleiche Angabe findet man auch in einem 1997 erschienenen Buch über Andrej Belyj.[6] In dessen Namensregister steht unter dem Namen „Polman-Mooy“ auf Seite 354:
„… geboren van der Meulen, 1874-1959. Holländische Theosophin und Okkultistin, 1909 mit ihrem Mann aus der holländischen in die deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft übergetreten und in den folgenden Jahren Teilnahme an Vortragszyklen von Steiner. Mitglied der Esoteric School. Ab 1912/13 begann sie sich gegen Steiner zu wenden und trat 1915 aus der A.G. aus. Sie hatte großen geistigen Einfluss auf (Kobylinskij)-Ellis, mit dem sie verbunden blieb. Veröffentlichte unter dem Pseudonym ‚Intermediarius‘.“
Dieser Hinweis macht es nun möglich, ihre Rolle im Kreis um Rudolf Steiner genauer zu verfolgen. – Der Name Kobylinskij-Ellis ist im Zusammenhang mit der kleinen Gruppe in Locarno schon erwähnt worden. Dieser Russe, der zum eifrigsten Anhänger des Intermediarius wurde, hinterließ durch sein Auftreten überall tiefe Spuren. Die Person Kobylinskij-Ellis liefert außerdem, durch seine enge Verbundenheit mit Johanna Polman-Mooy/Intermediarius, die wichtigsten biographischen Daten über sie. Eine gründliche Studie über Leben und Werk dieses erstaunlichen Mannes bietet das oben erwähnte Buch von Heide Willich. Es sei noch bemerkt, dass in Victor B. Fedjuschins Buch Russlands Sehnsucht nach Spiritualität (Novalis Verlag, 1988) im Kapitel „L. Kobylinskij-Ellis – Ein Wanderer zwischen Katholizismus und Anthroposophie“ ebenfalls beachtliche Angaben zu finden sind.
Wer war aber Lev Livovitsch Kobylinskij-Ellis?
Ellis – ein „Rebell“
1879 geboren, studierte er später Ökonomie an der Moskauer Universität und wurde Anhänger des Marxismus. Bald darauf wandte er sich aber von dieser Theorie ab, wurde zum Symbolisten und eifrigen Anhänger Baudelaires. Er entdeckte Dante, mit dessen Werk er sich sein Leben lang beschäftigte. In den von ihm organisierten literarischen Abenden in Moskau zeigte er eine außergewöhnliche Redegabe und einiges an schauspielerischem Talent. Leidenschaftlich in allem, was er unternahm, übertrug sich sein Charisma auf die Zuhörer. Er lernt Andrej Belyj kennen und befreundet sich ihm bald. Beide rufen den Kreis der „Argonauten“ ins Leben. Ihr künstlerisch-literarisches Ideal wollte die Ideen Wladimir Solowjews mit den Philosophien Schopenhauers und Nietzsches verbinden. Mit Belyj war er Mitarbeiter bei der symbolistischen Zeitschrift Vesy (die Waage) und gründete 1909 zusammen mit ihm und E. Metner den Verlag Musaget.
Diese symbolistische Zeit nimmt aber 1910 ein Ende und für Ellis begann ein neuer Lebensabschnitt.
In Moskau lernte er die Werke Rudolf Steiners kennen. Im Jahre 1911 brach er nach Berlin auf, ohne Geld, ohne Sprachkenntnisse, um an den Zyklen von R. Steiner teilzunehmen. Dort fand er Quartier in der Motzstraße bei R. Steiner im Gartenhaus. Mit Übereifer stürzte er sich in die Meditationsübungen, die bei ihm dann zu heftigen Herzattacken und nächtlichen Alpträumen führten. Sein neues Ideal sah er auch im Christentum des Mittelalters, welches ihn zum Gedichteschreiben inspirierte („Stigmata“, Moskau 1911; „Argo“, 1914). Er folgte Rudolf Steiner bei allen seinen Vorträgen und wurde zu seinem fanatischen Anhänger. Gegenüber anderen Schülern zeigte er keine Toleranz. Diesbezüglich wird anekdotisch erzählt, dass R. Steiner nach einem Vortrag scherzend zu Ellis sagte: „Und Sie, Herr Ellis, Sie sind ein Rebell“, worauf Ellis antwortete: „O nein, Herr Doktor, ich bleibe Ihr treuer Ritter“ und auf die Menschen im Saale zeigend, sagte er: „Diese aber, diese müsste man alle verbrennen.“ (V. Fedjuschin, S. 191)
Rudolf Steiner, der Ellis’ Problem bezüglich der Freiheit erkannt hatte, äußerte sich 1917 Assja Turgenieff gegenüber folgendermaßen: „Wir leben in einer Zeit, wo alles getan werden muss, um die Freiheit zu wahren, in einer Zeit, die aber am wenigsten Verständnis und Neigung zur Freiheit hat. Hätte ich eine Peitsche genommen und Ellis gesagt, wie Rasputin es tat: Du Hundesohn, leg dich zu meinen Füssen … er wäre bis jetzt mein treuester Anhänger geblieben.“ (H. Willich, S. 133)
Über die Begeisterung von Ellis, die er überall übermäßig zeigte, sagte einmal R. Steiner zu M. Woloschina: „Ellis muss sprechen. Wenn man ihn ins Gefängnis einsperren oder wie Papageno ein Schlösschen an die Lippen hängen würde, fände er doch eine Möglichkeit zu reden.“ (V. Fedjuschin, S. 189)
Andrej Belyj, sein bester Freund, hat in seinen Erinnerungen über diese Zeit ausführlich berichtet.[7] Dort erfahren wir genau, wie es zu der Begegnung zwischen Kobylinskij-Ellis und Johanna Polman-Mooy kam. Belyj schreibt: „Ellis steigerte sich in Hass und Verachtung hinein gegen alle, die des Doktors ‚unwürdig‘ waren; nur er und wir [d.h. die kleine Dornacher russische Kolonie, Anm. d. Verf.], die gerade angereist waren, und noch Frau Polman-Mooy waren Steiners ‚würdig‘; auf Veranlassung Steiners, der ihr nahe gelegt hatte, ihre überschüssigen Kräfte zum Schutz des schutzlosen Ellis einzusetzen, betreute ihn Frau Polman-Mooy.“
Weiter schreibt Belyj speziell über Frau Polman-Mooy: „Die Aufmerksamkeit [Rudolf Steiners] äußerte sich dadurch, dass er Frau Polman-Mooy, seine ‚intime‘ Schülerin, die manchmal in seinem Auftrag gewisse esoterische Stunden durchführte, zu Ellis schickte; wir […] standen alle in engem Kontakt mit ihr; in den ersten Monaten bewährte sie sich als die ausgezeichnete Assistentin eines ‚Professors‘; der Doktor gab uns die Erlaubnis, sie in Fragen der Meditation zu konsultieren und unsere meditativen Erfahrungen mit ihr zu besprechen; sie hatte die Erlaubnis, uns anzuhören, wenn nötig zu helfen […] Außerdem erklärte sich Frau Mathilde Scholl, eine sehr kluge, ebenfalls ‚intime‘ Schülerin des Doktors, überraschenderweise bereit, uns im Deutschen zu unterrichten […]; zu einem regelrechten deutschen Sprachunterricht ist es allerdings nicht gekommen.“
In einem Brief von Belyj an A.A. Blok (10./23. Nov. 1912) schreibt er in gleichem Sinne: „Danach forderte er eine der besten Schülerinnen des Doktors auf, zur gemeinsamen Arbeit in die Nähe von Stuttgart zu kommen“, womit J. Polman-Mooy gemeint war.[8] Bevor wir diese Betrachtungen weiterführen, möchte ich an dieser Stelle eine Anekdote einfügen, die J. Polman-Mooy betrifft und die den gut bekannten Humor R. Steiners zeigt. Bei der Uraufführung der Mysteriendramen in München durfte sie eine kleine Rolle übernehmen. In seinen Erinnerungen über die Proben berichtet der Schauspieler Max Gümbel-Seiling folgendes:
„Für die Rolle des Johannes Thomasius hatte sich Mieta Waller ihre schönen langen Haare abschneiden lassen, ebenso eine andere Mitspielerin, Frau Po(o)lman, die in der mittelalterlichen Rückschau den fünften Bauern zu spielen hatte. Damen mit kurzem Haar waren damals etwas Ungewöhnliches. In einem öffentlichen Vortrag R. Steiners saßen beide in der ersten Reihe. Als der Doktor die Fragezettel auf der Ecke des Rednerpultes las, lautete eine Frage: ‚Es haben sich Damen Ihres Kreises die Haare abgeschnitten. Ist dies empfehlenswert für die okkulte Entwicklung?‘ Sachlich erklang die Antwort: ‚Es haben sich die betreffenden Damen erst seit kurzer Zeit die Haare abgeschnitten, so dass sich okkulter Forschung noch nicht das Resultat ergeben konnte (große Heiterkeit). Wir wollen es aber für die betreffenden Damen von Herzen wünschen!‘“ (schallendes Gelächter)[9] – Weiterhin berichtete A. Belyj in seinem Tagebuch Folgendes:[10]
„Juli 1912. Ankunft in München, Begegnung mit Steiner, Ellis, Polman-Mooy.
November 1912. Weiterreise nach Degerloch (bei Stuttgart); Gespräche und Freundschaft mit Ellis und Polman-Mooy.
Dez. 1912. Letzte freundschaftliche Begegnung mit Ellis und Polman-Mooy.
Jan. 1913. … bei uns saßen am Abend: Ellis und Polman-Mooy; ich zeigte Polman-Mooy meine schematischen Zeichnungen, in Farben (der Mensch als Tempel); wir hatten uns alle kurz vorher bei der Anthroposophischen Gesellschaft, die gegründet wurde, eingetragen und waren zusammen mit Steiner aus der T.G. ausgetreten.
März 1913. … erhalte Briefe sowohl von Blok als auch von Ellis; von letzterem kommen viele Briefe; darin klingt schon deutlich die Abwendung von der A.G. an; ihre Mitglieder kommen ihm karikaturhaft vor; es klingen Zweifel in Bezug auf Steiner an; diese Briefe von Ellis sind für mich sehr quälend; besonders quälend ist für mich, dass auch Polman-Mooy die Zweifel von Ellis teilt: Ellis, Polman-Mooy, ich und Assja waren mir als eine fest geschlossene, intime anthroposophische Gruppe erschienen. Jetzt sehe ich: diese Gruppe ist zum Zerfall verurteilt.
April 1913. … auch mit Ellis intensiver Briefwechsel; von ihm erhalte ich Brief auf Brief, worin er die Gesellschaft einer vernichtenden Kritik unterzieht.
Aug. 1913. Wir erfahren eine traurige Neuigkeit: Ellis ist aus der A.G. ausgetreten.
Okt. 1913. M.J. [Marie Sievers] spricht mit mir über Ellis, über seine Abtrünnigkeit, über Polman-Mooy, die nach Meinung von M.J. hochmütig ist […] da bringen die aus Moskau nach Paris Reisenden die Nachricht, dass in Moskau im Verlag Musaget eine Schmähschrift auf den Doktor erscheint, die Ellis verfasst hat […] Wir eilen zu M.J. Sievers und fragen um Rat: Was ist zu tun?
M.J. Sievers zuckt mit den Schultern und sagt: ‚Lassen Sie‘.
Wir beschließen, zu Ellis und Polman-Mooy nach Stuttgart zu fahren, um mit Ellis eine Aussprache zu führen und von ihm die Zyklen des Doktors und seine Heftchen mit den Bemerkungen des Doktors an den Rändern zu fordern. Wir fahren nach Stuttgart und begeben uns nach Degerloch; Ellis versteckt sich vor uns; wir haben eine Aussprache mit Polman-Mooy und nehmen fast mit Gewalt die Heftchen von Ellis; ich teile Polman mit: ‚Wenn Ellis nicht in diesem Augenblick zu mir herauskommt, um sich zu erklären, dann soll er wissen: ich breche für das ganze Leben alles mit ihm ab…‘ Er – kam nicht heraus: von diesem Tage an brach ich alle Beziehungen zu Ellis ab.“
Assja Turgenjeff, die Lebensgefährtin Belyjs, hat über diese letzten Ereignisse ebenfalls berichtet. In ihren Erinnerungen erzählt sie ergänzend über das geheimnisvolle Heft von Ellis, das den Bruch verursachte:[11] „Danach gingen wir für einige Wochen nach Degerloch, in der Umgebung von Stuttgart, durch dringende Aufforderungen von Bugajeffs [= A. Belyj] Freund Ellis dazu veranlasst. Seine Weltrebellionsstimmung, die nur die Objekte, aber nicht ihre Intensität wechselte, führte ihn zu zerrüttenden Erlebnissen, die in einem schweren Vergangenheitskarma wurzelten. Dr. Steiner tat das Möglichste, um ihm zu helfen. So schrieb Ellis für ihn ganze Hefte voll mit Fragen, die sich auf die verborgensten Erkenntnisse bezogen. Keiner von uns hätte gewagt, solche Fragen zu stellen – und doch schrieb Dr. Steiner eigenhändig die Antworten daneben. Auf den langen Einwand, ob es nicht gefährlich wäre, einem so chaotischen Menschen solche Erkenntnisse in die Hand zu geben, antwortete er nur, dass er es tun müsse.“
Nach dem Bruch mit Belyj unternahm Ellis in Begleitung des Ehepaares Polman-Mooy eine Reise durch Italien: Rom, Neapel und Assisi. In Assisi machte Ellis ein Gelöbnis vor dem Bildnis der Gottesmutter für Askese und Kirchentreue. Nach dieser Reise begann er mit den Exerzitien von Ignatius von Loyola zu arbeiten, die ihn, wie er es später äußerte, vor dem seelischen Zusammenbruch „gerettet“ hatten. Daher stammt das Gerücht, er sei Jesuit gewesen. Dieses schien aber nicht begründet zu sein, denn Heide Willich schreibt diesbezüglich in ihrem Buch: „Die Angabe, dass Ellis Jesuit wurde, konnte die Verfasserin nirgends bestätigt finden.“ (Seite 184) Ellis verfasste noch ein Traktat Vigilemus! gegen R. Steiner. Wir werden auf seine Vorwürfe in Teil II dieser Studie noch zurückkommen. Ende 1913 ließ sich Johanna Polman-Mooy von ihrem Mann scheiden und nahm ihren Mädchennamen ‚van der Meulen‘ wieder an. Sie verließ die A.G. ebenfalls.
Im April 1914 erschien dann ihr erstes Buch Christliche Theologie und Cosmosophie nach dem Zeichen des Heiligen Graal, herausgegeben in Leipzig, unter dem Pseudonym „Intermediarius“. Ellis übersetzte dieses Buch ins Russische und hoffte auf eine Herausgabe im Musaget-Verlag in Moskau. Diese Übersetzung wurde allerdings nie publiziert.
Oben: Ersterscheinung des ersten Buches des Intermediarius
Darunter: Neuerscheinung 1933
Von 1915 bis 1919 wohnten Ellis und J.v.d. Meulen in Basel. Sie wurde öfters von Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft, die sich in inneren Krisen befanden, um Hilfe gebeten. Ein Zeugnis dafür ist der Brief vom 15.6.1916 von Julia Wernicke. Der Brief klagte über Rudolf Steiners als zweifelhaft empfundenes Verhalten anlässlich einer Probe der Weihnachtsspiele Ende 1915, wo er als Regisseur und Schauspieler mitwirkte. Dieser Brief, vom Verf. gekürzt, lautete:
„Liebe Johanna,
Sie fragten mich neulich, ehe Sie fortgingen, mit Interesse nach Einzelheiten in Bezug auf den Abend vom 31.12.1915. Ich möchte meinen Eindruck davon genau feststellen […] Es folgten nur einige Worte des Doktors über diese Art Spiele […] Dann führte er auch den alten Petrus ‚mimend‘ vor, nahm das ‚zufällig‘ daliegende Szepter des Herodes und sagte dabei: ‚Das ist der Schlüssel des Petrus‘ […] Der Doktor stellte den wackeligen alten Mann vor und darauf, mit dem Stab des Joseph, den bis zur Lächerlichkeit greisen Joseph, der schließlich ‚hintorkelt‘. Solche Dinge mag der Doktor beim Einüben der Mysterienspiele öfters vorgemacht haben. […] Mir machte es nun den Eindruck einer Profanation, ihn so zu sehen! Hauptsächlich der Schlüssel des Petrus und das ‚Hinfallen‘ in des Doktors Gestalt tat mir geradezu weh! Es ist dies aber durchaus mein subjektives Empfinden gewesen. […] Gerade weil ich noch hoffe und glaube, schreibe ich Ihnen dies! Helfen Sie mir auch, so viel Sie noch können! Ihre Ehrlichkeit und Kraft gibt mir Hoffnung! Es grüßt Sie herzlich. Julia Wernicke.“ (in Psychische Studien 1917, Nr. 8/9, Leipzig, S. 404-405
1918 erschien in Basel bei Frobenius das zweite Buch von „Intermediarius“, Homo Coelestis – Das Urbild der Menschheit. Ende Juni 1919 zogen Ellis und J.v.d. Meulen nach Locarno-Monti um. Dort verbrachten beide den Rest ihres Lebens, in der „Casa Fioretti“. 1923 erschien in Basel, ebenfalls bei Frobenius, das dritte Buch des „Intermediarius“, Universum – Der Cosmos und der cosmische Mensch – Liber Mundi. 1927 erschien das vierte und letzte Buch, Das grosse Zeichen – Arcana Sapientiae, im gleichen Verlag.
1929 erschien das Buch von Ellis, Christliche Weisheit, in Basel (Frobenius Verlag), als Kommentar zu den vier Büchern des Intermediarius. Darüber hinaus beschäftigte er sich noch intensiv mit Wl. Solowjew, A. Puschkin und P. Florenskij. Er verfasste zahlreiche Aufsätze, die in katholischen Zeitschriften veröffentlicht wurden. In den Spuren Solowjews verbreitete er die Ideen einer möglichen Wiedervereinigung der Ost- und Westkirchen. Er pflegte außerdem Kontakte zum russischen Philosophen, Kenner und Kritiker der Anthroposophie, Nikolaj Berdjajew.
Über die enge Bindung, die zwischen Ellis und J.v.d. Meulen bestand, sowie über ihr gemeinsames Leben in Locarno, berichtet Heide Willich in ihrem Buch (S. 179-184): „Die Beziehung zwischen J.v.d. Meulen und Ellis hatte geistigen, rein platonischen Charakter. Ellis als Mensch war … unfähig allein zu leben. Er wird als sehr liebenswürdig, aber absolut weltfremd, unpraktisch und intellektuell beschrieben, als impulsiv und gesprächig […] Johanna v.d. Meulen war durch und durch Christin, von grenzenloser Nächstenliebe und Altruismus beseelt. Den Sinn ihres Lebens sah sie in der Fürsorge für andere Menschen. Mit Ellis verband sie zudem das gemeinsame Streben nach religiös-mystischen Inhalten. Sie war eher gemäßigter, zurückhaltender, bremste Ellis Temperament und hielt ihn gewissermaßen im Zaum. Im Laufe der Jahre wuchs ihre geistige Verwandtschaft immer mehr […] Später, wohl zu Beginn der 30er Jahre, konvertierte er zum Katholizismus. J.v.d. Meulen war ursprünglich Protestantin, aber – Ellis folgend – konvertierte auch sie zum Katholizismus. Gemeinsam besuchten sie regelmäßig an Sonn- und Feiertagen die Messe im katholischen Kloster „Madonna del Sasso“, das auf dem Berg oberhalb von Locarno liegt.
Insgesamt lebten Ellis und Johanna v.d. M. recht still und abgeschieden in Locarno […] Ellis ging häufig schnellen Schritts mit wehender, schwarzer Pelerine auf dem Berg oberhalb Locarnos spazieren. Er unterhielt keine Kontakte mehr zu seinen früheren Moskauer literarischen Mitstreitern […] Bis zu seinem Tode am 17.11.1947 lebten Ellis und J.v.d. M. gemeinsam in der ‚Casa Fioretti‘. Ellis starb in der Klinik Santa Chiara (vermutlich an Krebs) und wurde am 18.11. auf dem Friedhof der St. Antonio-Kirche in Locarno beigesetzt. Sein Grab existiert allerdings nicht mehr. Das Haus, die ‚Casa Fioretti‘, … steht heute noch.“
Johanna van der Meulen starb mit 85 Jahren in ihrer Winterresidenz in Palermo 1959.
Teil II:
Exkurse zu Intermediarius
Um die geistige Atmosphäre im Umfeld des Intermediarius zu verdeutlichen, dokumentiert der Verfasser im Verlauf seiner Betrachtungen zu „Intermediarius“ im Folgenden kritische Einwände gegen die anthroposophische Christologie. In den nächsten Ausgaben werden diese Einwände selbst einer Kritik unterzogen.
Red.
Ellis
Welche Gründe haben Kobylinsky-Ellis bewogen, sich als Anhänger des Intermediarius so heftig gegen Rudolf Steiner und seine Anthroposophie zu wenden? Diese Gründe hat Victor Fedjuschin in seinem Buch Russlands Sehnsucht nach Spiritualität. Theosophie, Anthroposophie und die Russen (Schaffhausen 1988) klar zusammengefasst. Es sei noch erwähnt, dass Ellis Einwände nicht allein da stehen. Andere Denker, ob Anhänger von Intermediarius oder nicht, haben Ähnliches geäußert, z.B. Arthur Schult oder Nikolai Berdjajew
Nun zu den Gründen, die Fedjuschin beschreibt: (S. 192, 195)
„Der Unterschied der Weltanschauungen von Ellis und der Anthroposophie Rudolf Steiners lag vor allem in der Auffassung des Christentums. Ellis wirft R. Steiner vor, dass er die grundlegenden Ideen des Christentums verdrehe, dass er sie verschleiere […] Kobylinsky-Ellis sieht den religiös-christlichen Weg in der direkten Nachahmung von Christus: dies sei die grundlegende Idee des Christentums. […] Nach Ellis muss die Anthroposophie als Wissenschaft den Bereich der Religion frei lassen, sowie auch zu großen Teilen den Bereich des Glaubens. Deshalb sieht Ellis in Rudolf Steiner keinen neuen christlichen Lehrer, sondern bloß einen hervorragenden Gelehrten, der dank seiner Hellsichtigkeit konsequent in seinen Werken eine Arbeit von ungemeiner kultureller Wichtigkeit fortführt und der in unparteiischer Weise wissenschaftlich erarbeitetes Wissen über die Geheimnisse des geistigen Menschen weitergibt.“
In einem 1929 erschienenen Buch Monarchia Sancti Petri (M. Grünewald Verlag) gebraucht Ellis sehr scharfe Worte gegen Rudolf Steiners Christologie und Weltanschauung. Im letzten Kapitel „Wl. Solowjeff und Rudolf Steiner“ schreibt er: (S. 628-632) „Über die Christologie Steiners kann man sagen: in ihr befindet sich kein einziger Lehrsatz, der nicht eine Häresie ist […] Seinem Wesenskern nach ist er … eine Wiederbelebung der Geheimlehre […] Das Wesen des ‚Steinerismus‘ ist gerade so völlig dem Wesen der Lehre Solowjeffs entgegengesetzt, wie die Lehre des Manes der Lehre des heiligen Augustinus.[…] Die magische (antireligiöse) Lehre Steiners kennt nichts von den Wahrheiten der übernatürlichen, göttlichen Offenbarung […] Die gesamte Weltanschauung Steiners beruht auf der Vermischung der himmlischen, sophianischen Alleinheit mit der kosmischen, relativen und bloß natürlichen Totalität. […] Deshalb verwechselt sie grundsätzlich das göttliche Licht des Heiligen Geistes und das himmlische der Sophia mit dem kosmischen Urlichte, den Lichtträger Erzengel Michael mit dem Lichträuber Lucifer, indem sie dabei das Wesen des Bösen mit der kosmischen, dualistischen Manifestation desselben (im Sinne der Diade = Lucifer-Ahriman) verwechselt. […]
Für jeden ernsten Leser […] wird es leicht zu sehen, dass der ‚Steinerismus‘ in jeder Beziehung einen Gegensatz zur Lehre Solowjews und eine konsequente Ergänzung der modernen halb-luciferischen (kabbalistischen), gnostisch-theosophischen Weltanschauung bildet. […] Im Lichte des wahren, christlichen, authentischen (esoterischen) Hermetismus erscheint die Lehre Steiners wie der Trümmerhaufen des zusammengestürzten babylonischen Turmes.“
Arthur Schult
Arthur Schult (1893-1969), Verfasser zahlreicher Bücher und zeitweilig Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft[12], war ein Kenner und Verehrer der Werke des Intermediarius; er wollte ebenfalls ähnliche Mängel und Irrtümer in der Lehre Rudolf Steiners erkannt haben. So schreibt er im Nachwort seines Buches Das Johannes-Evangelium als Offenbarung des kosmischen Christus (Remagen 1965, O. Reichl Vlg., S. 500-502): „Durch geistige Schulung gewinnt der Mensch Einblick in die höheren Welten, in die ätherische, die astrale, die mentale Welt usw., je nach Willenstiefe. Die verschiedenen esoterischen Geisteswissenschaften vermögen so mit Erfolg, den geistigen Rationalismus unserer Zeit zu überwinden. Aber diese wissenschaftliche Erforschung des übersinnlichen Kosmos dringt niemals ein in die überkosmisch-himmlische Welt…, in die überkosmische Ideenwelt (Platos) und den Ewigkeitsbreich des lebendigen Gottes, in die überkosmische Himmelswelt des Neuen Testamentes.
Der hyperuranische Urkosmos kann durch Ideenschau im Sinne Platons erschlossen werden. Die überkosmische Himmelswelt erschließt sich nur dem echten Glauben als Seinserfahrung und der hohen Mystik. Nur so findet der Mensch…‚ das unerschütterliche Königreich‘, von dem der Hebräerbrief (12,28) spricht, und zu dem wir alle berufen sind. […]
Denn der Mensch ist nicht nur ein irdisches und kosmisches Wesen, sondern reicht mit seiner Strahlenaura und seinem Urbild durch alle Weiten des Kosmos und Urkosmos bis in die Tiefen der Gottheit hinein.
Aus diesem Urquell muss getrunken haben, wer Gott, Kosmos und Mensch recht verstehen will. Auch die Erforschung der kosmischen Welt kann nur dann in der rechten Weise geübt werden, wenn der Mensch zuvor den Kontakt gewonnen hat mit der höchsten Himmelswelt, wenn sein Bewusstsein durch Glaubenserfahrung oder Mystik geweitet wurde ins Überkosmische. Nur der in diesem Sinne göttlich Erweckte und im Geiste Wiedergeborene wird dann auch ohne Gefahren, vom Heiligen Geistes Gottes geführt, die von Licht- und Finsternismächten durchdrungene kosmische Welt durchforschen können […] Hinter Solowjew und Berdjaew stehen inspirierend die hochspirituellen Gestalten der russischen Starzen des 19. Jh. Die vollchristliche Esoterik jener großen Russen erwächst aus echter Glaubenserfahrung und hoher Mystik […]
Rudolf Steiner erschließt dem modernen Menschen, der durch die intellektuell-abstrakten Vorstellungen der Naturwissenschaft den Kosmos völlig entseelt und entgöttert hat, anknüpfend an Goethes Weltanschauung, einen neuen Zugang zu Mysterienwissen und Einweihung. Die von ihm begründete Anthroposophie will den Geist im Menschen zur Kommunion mit den Geistern des Kosmos führen und auf diese Weise die im Rationalen stagnierenden Wissenschaften neu befruchten. Sie will selber Wissenschaft sein, im exakten Wortsinne Geisteswissenschaft. Hierin liegt sowohl ihre Stärke als auch ihre Grenze. Zweifellos hat die Anthroposophie das Geistesleben unserer Zeit auf den verschiedensten Gebieten in höchst produktiver Weise befruchtet. Gerne bekennt der Verfasser, dass auch er selber Rudolf Steiner viel verdankt. Aber leider bleibt Steiners Weltanschauung kosmisch gebunden. Damit ist bei ihm das bewusstseinsmäßige Eindringen in die letzten Seinstiefen blockiert. Das hat später in der geistigen Schau vielerlei Irrtümer zur Folge. Diese tragische kosmische Bindung ist schon grundgelegt in der Philosophie der Freiheit. Da verbindet nämlich Steiner in seinem ‚konkreten Monismus‘ die Welt der Ideen mit der Erscheinungswelt von Stoff und Materie zu einer Einheit. So gibt es dann außer dieser Einheit nichts, kein Jenseits und keinen außerweltlichen Gott. Steiner hat stets an diesem ‚konkreten Monismus‘ festgehalten und ist sich in diesem Punkte auch klar bewusst seiner Gegensätzlichkeit zum Christentum. So schreibt er etwa: ‚Das Christentum findet den Quell alles Geistigen, also auch der Begriffe und Ideen, in Gott. Es hat den Glauben an etwas nötig, das nicht von dieser Welt ist. Ein gesundes menschliches Denken hält sich aber an diese Welt. Es kümmert sich um keine andere. Aber es vergeistigt zugleich diese Welt. Es sieht in Begriffen und Ideen Wirklichkeiten dieser Welt, ebenso wie in den durch die Sinne wahrnehmbaren Dingen und Ereignissen.‘ (Goethes Naturwissenschaftliche Schriften IV, 1, S. XV) Von da aus kommt sehr leicht ein gefährlich-hybrider Einschlag in die Anthroposophie hinein. Man vergleiche auch das Kapitel ‚Die letzten Fragen‘ in der Philosophie der Freiheit.
Später, als Steiner zum Okkultisten wird und sich die Erkenntnis der höheren Welten erschließt, gewinnt für ihn in Konsequenz jenes ‚konkreten Monismus‘, an dem er eisern festhält, die okkulte Sphäre den Charakter der Ideenwelt. Die Geisteswelt des Kosmos wird ihm zur Welt göttlicher Geister. Der transzendente und zugleich immanente Gott des Neuen Testamentes wird dabei zu Gunsten einseitiger kosmischer Immanenz und kosmischer Entwicklung abgelehnt. Ein Gott aber, der sich entwickelt, der ist nicht mehr der eine Gott, welcher war, ist und sein wird, der lebendige Gott des Neuen Testamentes, der Gott, von dem Thomas von Aquin richtig sagt: ‚Einzig dann erkennen wir Gott in Wahrheit, wenn wir glauben, dass er über alles hinausliegt, was Menschen über Gott zu denken vermögen.‘“
In die gleiche Richtung gehen die Ausführungen A. Schults in seinem Werk Menschenleben und Johannesevangelium im Lichte der Wandelsterne (Drei Eichen Verlag, München 1958, S. 193-195). Dort sagt er: „Wir müssen Klarheit gewinnen über das Verhältnis von Mensch, Kosmos und Gott, Erde, Sternenall und Gotteshimmel, wie es im Neuen Testamente, insbesondere bei Johannes und Paulus, gnostisch erschaut wird.
Durchaus unzureichend ist, gemessen am Maßstab der neutestamentlichen Schriften, die kosmische Blindheit des traditionellen Christentums aller Konfessionen, welche die vielstufige Himmelsleiter, die vom Himmel durch das ganze Universum zur Erde führt, nicht sieht und nicht sehen will.
Ebenso unzureichend ist jene himmlische Blindheit der theo- und anthroposophischen Strömungen, welche die hellsichtige Erforschung des Makro- und Mikrokosmos und seiner übersinnlichen Geistwesen mit dem himmlisch-geistigen Schauen der ewigen göttlichen Urbilder verwechselt. Die einseitig kosmisch gebundene Geisterkenntnis redet nur in Worten von den himmlischen Dingen, indem sie Himmel und Kosmos gleichsetzt.
Demgegenüber ist ernsthaft zu bedenken: Wesentlich und allseitig ist der Unterschied zwischen Himmel und Kosmos, zwischen kosmischem Hellsehen und himmlisch-geistiger Schau der ewigen Urbilder. Jede Schulung in bloß kosmischem Hellsehen wirkt störend auf die Unmittelbarkeit des Erlebens, ist eine magische Praxis, die auf Kosten des geistigen Wesenskernes entwickelt wird und unser Menschliches auszehrt. Die wahre christliche Einweihung führt durch kosmosophische Schulung und mystisches Schauen im Geiste zur Wiedergeburt in Gott. Dieser Weg geht durch alle kosmischen Regionen aufwärts bis zum überzeitlich-paradiesischen Urkosmos, bis zur überkosmischen Alleinheit des Himmelreiches und setzt das mystische Erlebnis Christi als des Allerlösers voraus. So stellen auch die vier Bücher des Intermediarius den christlichen Einweihungspfad dar in Harmonie mit Jakob Böhme.
In diese höchsten göttlich-geistigen Sphären dringt die Anthroposophie nicht. Sie gibt zwar dem modernen Weltbild eine gewaltige Ausweitung ins Kosmisch-Geistige, aber sie erreicht nicht die Dimension aller Dimensionen, die reale Ewigkeit des lebendigen Gottes. Steiner drängt in seiner Verkündigung des kosmischen Christus den Erlöser-Christus allzu sehr in den Hintergrund. Erst von dem Erleben des Erlöser-Christus aus kann aber der kosmische Christus in ganzer Tiefe verstanden werden. Nur weil Christus mehr ist als eine zentrale kosmisch-hierarchische Wesenheit, weil er sich über den ganzen kosmischen Prozess erhebt, wird die Menschheit durch ihn erlöst und frei von der Macht der Zeit und aller zeitgebundenen Prozesse.“ – Soviel zu Arthur Schult.
Berdjajew
Die Einwände des russischen Philosophen Nikolai Berdjajew (1874-1948) treffen ebenfalls die Christologie Rudolf Steiners. Als Außenstehender hatte er ein lebens-längliches Interesse an den Werken Rudolf Steiners gezeigt und sie auch gründlich studiert. Sie begegneten sich auch einmal persönlich. Mit Kobylinsky-Ellis stand er in brieflichem Kontakt. Ob er sich in Intermediarius Werke vertieft hatte, ist nicht bekannt. Das schon mehrmals erwähnte Buch von V. Fedjuschin enthält ein Kapitel, das heißt „Berdjaev – Ein Ritter des Geistes – ein gläubiger Freidenker“. Darin liest man über den Philosophen (S. 165, 171): „Man muss Nikolai Berdjaew zubilligen, dass er nicht als Dilettant und Ankläger ohne Kenntnis der Sache als Kritiker der Theosophie und des Werkes Rudolf Steiners auftrat […] sondern als ein einsamer Vertreter des freien Geistes, der gründlich mit den theosophischen Werken und den Arbeiten Rudolf Steiners bekannt war. […]
Der Hauptvorwurf aber, den Berdjaew Steiner macht, besteht darin, dass bei Steiner seiner Meinung nach eine echte Christologie fehle, dass man bei Steiner nirgends Christus finden könne. Berdjaew fühlte bei Rudolf Steiner keinen revolutionären Geist, der der Welt etwas Neues, noch nicht Dagewesenes bringen könnte; Steiner war nach Berdjaew ‚konservativ nach rückwärts gewendet‘.“
Berdjajew selbst sagte (S. 169, 170): „Die Methode der Theosophie ist immer geistig-evolutionär, nicht geistig revolutionär […] Der theosophische Weg ist ein gnadenloser Weg, auf welchem nicht ein Strahl göttlichen Lichtes von oben herabfällt, alles wird von unten her erreicht. In der Theosophie gibt es nichts Geschenktes, nur Erarbeitetes, nichts aus Liebe, alles aus Gerechtigkeit.“
Und weiter: „Rudolf Steiner stellt seine Theosophie als westliche und christliche dar und stellt sie im Unterschied zur östlichen Theosophie unter das Zeichen des Christus-Impulses. In den letzten Jahren legt Steiner besonderen Wert auf die Eigenart seines Weges.
Die östliche Theosophie – vor der kosmischen Wirkung des Christus-Impulses, vor der Offenbarung über das ‚Ich‘. Aber den größten Teil der populären theosophischen Bücher Steiners kann man nur mit Mühe von den theosophischen Büchern A. Besants und anderer östlicher, vorchristlicher Theosophen unterscheiden. In Steiners Büchern findet man wenig Eigenes, in ihnen werden auf unpersönliche Weise die üblichen, traditionellen theosophischen Lehren dargelegt. Immer die gleiche Lehre über die kosmische Evolution mit einem noch stärker geprägten Naturalismus, die gleiche Lehre über die Ebene, über den so kompliziert zusammengesetzten Menschen, die gleiche Lehre über Karma und Reinkarnation, der gleiche gnadenlose Weg der unerlösten Seele, wobei jeder Schritt durch schwere Arbeit der Vervollkommnung selbst erreicht werden muss […]
Der Mensch ist ein Mittel der Weltevolution, ein Kreuzungspunkt kosmischer Wirbel und Strömungen. Und für das anthroposophische Bewusstsein trägt die Persönlichkeit des Menschen zum absoluten Sein nur über die Weltevolution bei, über die Kette karmischer Wiederverkörperungen.
Die kosmische Evolution selbst wandelt sich durch die Wirkung des Christus-Impulses, es beginnt eine neue kosmische Epoche, in der alles schon anders weiter geht als vor Christus. Aber Christus selbst ist nur ein kosmischer Agent, nur ein Moment der kosmischen Evolution. Steiner sieht Christus als ein in den Kosmos geworfenes Wesen, sieht ihn nicht in Gott, in der göttlichen Dreifaltigkeit […] Die anthroposophische Lehre über die immanente Wirkung des Christusimpulses im Menschen enthält zweifellos eine tiefe Wahrheit, aber sie geht nicht bis zur letztendlichen göttlichen Urquelle, sie verbleibt inmitten der Weltenprozesse der Geschöpfe.“
Teil III:
Die Bücher des Intermediarius
Das Werk
Die Vier Bücher des Intermediarius erschienen nacheinander zwischen 1914 und 1927: Bd. I – 1914 – Christliche Theologie und Cosmosophie nach dem Zeichen des Heiligen Graal. Leipzig (Xenien Verlag); Bd. II – 1918 – Homo Coelestis – Das Urbild der Menschheit. Basel (Frobenius); Bd. III – 1923 – Universum – Der Kosmos und der cosmische Mensch – Liber Mundi. Basel; Bd. IV – 1927 – Das grosse Zeichen – Arcana Sapientiae. Basel. – Dieses Werk erfuhr 1933 eine zweite neu bearbeitete Auflage und erschien im damaligen katholischen Herold-Verlag in München. Der erste der vier Bände, der 1914 noch Christliche Theologie und Cosmosophie nach dem Zeichen des Heiligen Graal hieß, erhielt nun den neuen Titel Die Weisheitslehre des Heiligen Graal. Die drei weiteren Auflagen im Ordo-Verlag Konstanz sind photomechanische Drucke der zweiten neu bearbeiteten Auflage von 1933, die von nun an allein als Originalausgabe gilt. Das Werk wurde jeweils als „Manuskriptdruck“ in relativ kleiner Auflage herausgegeben, das letzte Mal 1983.
Der Herausgeber und Überarbeiter der Auflage von 1933 ist gleichzeitig der Herausgeber und Hauptschriftleiter der damals im Herold-Verlag erschienenen Monatsschrift Für Welterkenntnis aus dem Lichte des Glaubens. Seine Rubrik „Die Arche“ bot speziellen Raum für die christliche Esoterik des Intermediarius. Unter dem Pseudonym „Fra Tedesco“ verfasste er noch eine Einleitung in das Werk des Intermediarius, die in ihrem ersten Buch zu finden ist. Er war der Meinung, dass mit Intermediarius zum ersten Mal Grundlagen geschaffen worden seien, die eine objektive Mystik ermöglichen würden; und dass dadurch die mystische Schau der göttlichen Welt über die Subjektivität der mittelalterlichen Mystik herausgehoben werden könne. Ein ähnliches Lob hat auch der Benediktiner-Theologe und Spezialist im Gebiet der Mystik, Dr. Alois Mager,[13] gegenüber Intermediarius und ihrem Werke geäußert.
Das Hauptmerkmal des Werkes Intermediarius zeigt sich in seinem strengen christozentrischen Charakter. Eine tiefe Christuserfahrung und eine enge Verbundenheit mit Christus liegen allen ihren Werken zugrunde.
Sie unterscheidet drei Wege, die zu dem höchsten Zustand der Einswerdung mit Christus führen. Innerhalb dieser Wege, die als die drei christlichen Mysterienwege bezeichnet werden, sind die „Mysterien der Kirche Christi“ als der erste Weg zu betrachten. Für die ganze Menschheit gültig, nehmen sie ihren Anfang beim Heiligen Abendmahl, wo Christus selbst seinen Leib und sein Blut für die Menschen geopfert hat. Diese göttliche Handlung, als geistige Gnadenquelle, stellt den Mittelpunkt dieser Mysterien dar. Der Heilige Apostel Petrus, als Träger der höchsten Glaubensinspiration Gottvaters, wurde zum Inhaber der hohepriesterlichen Weihe. So wurde er zum ersten geistigen Vater der Kirche Christi als mystischem Leib und zum anerkannten Haupt der Apostel. Der Heilige Apostel Johannes, als Träger der höchsten Weisheitsinspiration Jesu Christi, erhielt die größte prophetische Berufung. Er wurde zum jungfräulichen Sohn der Sophia-Maria und zum mystischen Herzen der Apostelgemeinschaft, zum Lehrer der Weisheit durch seine zwei Hauptwerke, das Evangelium und die Apokalypse.
Die „Mysterien des Grals“ stellen den zweiten Weg dar. So wie von Christus selbst, durch das Abendmahl, eine neue Linie ausgeht, findet auch eine Reinigung, Erneuerung und Verwandlung einer anderen schon bestehenden Linie statt; und zwar durch das Blut, welches aus dem Herzen Christi fließt, nachdem Sein Tod auf Golgatha schon eingetreten war. Durch dieses in das Gefäß des Grals aufgenommene Blut sind die Mysterien des Heiligen Grals entstanden. Die alte Weisheit der vor-christlichen Mysterien wurde in den Gral-Mysterien vereint. Diese besitzen das tiefste Wissen über das Wesen Christi. Mit der Kraft des Blutes Christi ist die Tat der Erlösung verbunden, deswegen heißen diese Mysterien auch „Mysterien der Erlösung“. Der erste Hüter des Heiligen Gral ist Joseph von Arimathia.
Der dritte Weg findet seinen Ausdruck in den „Mysterien des Kreuzes und der Rosen“. Das Johannes-Evangelium berichtet (19,34-35), dass mit dem Fließen des Blutes aus der Seitenwunde Christi auch Wasser mitfloss.
Wie die Kraft der Erlösung mit dem Blute verbunden ist, so ist es auch die Kraft der Erweckung mit dem Wasser. Darum nennen sich die Mysterien des Kreuzes und der Rosen auch „Mysterien der Erweckung“. Lazarus, als der erste von Christus selbst aus dem Tode Auferweckte, ist der erste Hüter dieser Mysterien. Der Tod und die Wiedererweckung des Lazarus bedeuten zugleich den Tod der alten vorchristlichen hermetischen Weisheit und ihre Wiedergeburt als neue christlich-hermetische Weisheit. Lazarus war der letzte Träger der uralten ägyptischen Weisheit. Der Weisheitsschatz des „dreimal großen“ Hermes („Trismegistos“) lebt so weiter als der wesentliche Teil des esoterischen Christentums. Das Wahrzeichnen dieser Mysterien entstand, als Lazarus das Kreuz auf Golgatha errichtet sah. Da schaute er im Geiste das Kreuz als den Stamm des Lebensbaumes, die blutigen Wunden Christi als strahlende leuchtende Blüten. Den Erlöser selber sah er in verklärtem Leibe, voller Majestät und göttlicher Gewalt. Durch diesen Anblick entstand das Symbol des Kreuzes mit dem leuchtenden Dreieck im Zentrum umringt von den vier roten Rosen. Hierzu schrieb Intermediarius: „Das charakteristische dieses Symbols besteht darin, dass es an sich eine vollkommene Einheit bildet und als solche zwei Bedeutungen hat. Die erste ist die des Todes, die zweite die der Auferstehung. Als Symbol des Todes deutet das Kreuz auf den Tod Christi, die vier Rosen auf die Wunden des Erlösers; als Symbol der Auferstehung wird das Kreuz zum Lebensbaum des wiedererworbenen Paradieses und zum Zeichen des Sieges über das Grab und den Widersacher. Die vier Rosen werden zum Zeichen des neuen Lebens, das nach vier Richtungen hin als die Morgenröte des ewigen Tages und der Frühling der geistigen Wiedergeburt aufblüht. Inmitten des Kreuzes befindet sich das Dreieck als Symbol der Herzenswunde nach dem Kreuzestode, des dreifachen Lichtes der Auferstehung und der göttlichen Natur Christi.“ (III. Buch, Universum, 1933, S. XII-XIII)
Es besteht eine innere Verwandtschaft zwischen dem rosenkreuzerischen und dem mystischen Weg. Der Unterschied besteht darin, dass die reine christliche Mystik sich nur wenig mit kosmischen Erkenntnissen beschäftigt, dafür aber fast ausschließlich mit dem Wesen Christi. In Bezug auf diese innere Verwandtschaft heißt es bei Intermediarius, dass zwischen der Weisheit Johanni und der Weisheit Lazari schon eine besondere Beziehung in der Symbolik ihrer Namen bestehe: „Nach der Auferstehung trägt der erste Zeuge und Hüter der Mysterien der Erweckung, Lazarus, jenen Namen, mit welchem schon in vorchristlichen Mysterien der vom Tode erweckte Eingeweihte bezeichnet worden ist. Derjenige, in dem der Geist Gottes im Klange des A und O (Alpha und Omega) den geistigen Widerhall – den Klang des O und A – erweckte, wurde als ein Oannes-Mensch bezeichnet.“ (II. Buch, Homo Coelestis, 1918, S. 12)
Wie bei Rudolf Steiner lautet die esoterische Formel der Mysterien des Kreuzes und der Rosen:
Ex Deo nascimur;
In Christo morimur;
Per Spiritum Sanctum reviviscimus.
(Aus Gott werden wir geboren; In Christus sterben wir; durch den Heiligen Geist werden wir wiedergeboren.)
Somit sind skizzenhaft die drei Wege der christlichen Mysterien nach Intermediarius charakterisiert worden.
Was lehrt sie nun über Gott, den Kosmos und den Menschen?
Gott
Das Mysterium Gottes steht erhaben über aller Offenbarung. Es ist für den menschlichen Geist unergründlich und übersteigt jede mögliche Erkenntnis. Die höchste Erkenntnisstufe, die ein Mensch erreichen kann, erblasst und muss sich ehrfurchtsvoll vor diesem unaussprechlichen Mysterium beugen. Die höchsten hierarchischen Wesenheiten müssen ihr Antlitz mit den Flügeln verhüllen vor den Strahlen des dreieinigen Lichtes. Deshalb ist es für die christlichen Mysterienwege ebenso gültig, dass die Frage nach dem letzten Grund im „Glauben“ gesucht werden muss. Der Glaube ist das Urbild der Weisheit. Die Glaubenslehre der Kirche, als Theologie, spricht von drei Hauptattributen Gottes:
- Die schöpferische Allmacht des Vaters,
- Die Liebesmajestät des Sohnes,
- Die Urewigkeit der Weisheit des Heiligen Geistes.
Diese drei Urattribute bilden sich, nach der erweiterten Lehre des Intermediarius, in allen Gebieten der göttlichen Offenbarungen wieder ab. Im Himmel, als Macht, Erhabenheit und Ewigkeit; im Urkosmos (Archäum), als Stärke, Größe und Dauer; im Kosmos sowie im Menschen als Wollen, Fühlen, und Denken. (siehe Tabelle 1; sämtliche 7 Tabellen finden sich im Anhang ab S. 43)
Die himmlische Triade
Die erste Offenbarung Gottes als schöpferische Tat besteht zunächst in einer Spiegelung seines eigenen dreieinigen Wesens. Diese Spiegelung wird die „himmlische Triade“ genannt. Diese stellt die perfekte Abbildung des göttlichen Wesens mit seinen Attributen dar, erhaben über alles Zeitliche, Räumliche und über alle Begrenzungen. Die vorchristlichen Antizipationen der christlichen Trinitätslehre machten noch keinen Unterschied zwischen der göttlichen Dreieinigkeit selbst und dessen Spiegelung als himmlische Triade. Die alten Weisheitskunden reden über verschiedene himmlische und kosmische „Triaden“. So z.B. die altindische Weisheit über die Trimurti, Brahma-Vischnu-Shiva. Die altägyptischen Mysterien besaßen, nach Intermediarius, „ein Wissen von einem allmächtigen, erhabenen und ewigen Gott. In ihrer Lehre über die Triade: Osiris-Isis-Horus ahnten sie voraus die tiefsten Geheimnisse des Christentums: die Trinität und die Menschwerdung des Sohnes.“ (III. Buch, S. XIV)
Doch wie entsteht die erste Spiegelung Gottes?
Das Zentrum der himmlischen Triade entsteht zunächst aus der Abbildung des Vaters der Trinität als des „Urvaters“, als die Urquelle des Lebens und der Schöpfung. Ihm ist der Wille zugeteilt und dadurch die ewige Urquelle lebendiger Wärme. Der Heilige Geist aus der Trinität bildet sich als ein leuchtender Weisheitsspiegel ab, der das urväterliche Zentrum peripherisch umgibt und seine Lebenswärme und seinen schöpferischen Willen als Licht der Weisheit zurückstrahlt. Dieser Weisheitsspiegel wird noch himmlische „Urform“, „Urmutter“ oder auch „Lichtjungfrau“ genannt. Sie sammelt, bildet um, ordnet und begrenzt die schöpferische Kraft des Urvaters. Intermediarius, in ihrer kontemplativen Schau, sah sie als die leuchtende Weberin der Urbilder aller Wesen. Sie ist die große, unbefleckte Seele des Himmels. Sie wurde seit Urzeiten unter verschiedenen Namen und Symbolen als die himmlische Weisheit verehrt.
Der Sohn aus der Trinität bildet sich seinerseits in der himmlischen Triade ab als der ewige „Mittler“ zwischen dem Lebenszentrum des Urvaters und dem Weisheitsspiegel der Urmutter. Sein Name ist Christus, der durch sein eigenes Prinzip der Liebe, Leben und Weisheit als Licht in sich vereinigt.
Die Ein- und Ausatmung des göttlichen Willens des Urvaters in die Schöpfung nennt Intermediarius „Odem Gottes“. Der Moment zwischen zwei „Atemzügen“, die Suspension, ist ein Moment göttlicher Ruhe, wo alles „schweigt“. Das Antlitz Gottes kann sich damit unverschleiert den himmlischen Bewohnern offenbaren.
Das lebendige Zwiegespräch zwischen dem Urvater und der Urmutter lässt in ihrer harmonischen Zusammenwirkung die verschiedenen Chöre der himmlischen Hierarchien entstehen. Sie bilden eine harmonische Alleinheit und teilen, durch ihre ewige Bewegung, die Strahlen des himmlischen Weisheitslichtes allen weiteren Reichen der Schöpfung mit.[14]
Das Himmelreich
Vom Reich des Himmels, als Wohnplatz rein geistiger Wesenheiten, spricht Intermediarius als von dem „Mysterium magnum“, das große Mysterium. Es ist das Reich des Vaters, in dessen „Hause viele Wohnungen“ sind. Es entsteht durch das schöpferische Zwiegespräch zwischen Zentrum und Peripherie in der himmlischen Triade und bildet sich als die Himmelsrose (Rosa Mystica) ab. Die lebendigen Blätter dieser flammenden, leuchtenden und klingenden Rose haben eine neunfache Gestaltung, die neunfache Ordnung der hierarchischen Chöre. Sie verteilen sich in drei Himmeln, in dreimal drei Gruppen. Diese drei Himmel sind = das Empyreum oder höchster flammender Himmel, dessen Hauptprinzip die durch die höchsten Seraphime vertretene Liebe ist; der Kristallhimmel, dessen Hauptprinzip die Weisheit ist, vertreten durch die Cherubime. Dieser Himmel ist auch noch „Primum Mobile“ genannt, denn die Bewegung des gesamten Himmelreichs, die erst verborgen und unaussprechlich im Herzen des Urvaters entsteht, wird zuerst in diesem zweiten Himmel fühlbar; der Fixsternhimmel oder „Himmelsfeste“, dessen Hauptprinzip der Wille ist, vertreten durch die Throne. Dieser Himmel liegt den oberen kosmischen Regionen am nächsten und bildet so die Grenze zwischen „Himmel“ und „Kosmos“. Hier halten zwölf mächtige Wesenheiten aus der Hierarchie der Throne die Wache und stellen die zwölf himmlischen Urbilder des gesamten kosmischen Sternenreiches dar. (Siehe Tabelle 2)
Die Himmelsrose besteht nicht nur aus den Hierarchien, sondern auch aus dem erhabenen und wandelbaren Urbild des Menschen. Es wird noch darüber ausführlich gesprochen werden. Es sei hier nur noch gesagt, dass Dante in seiner Göttlichen Komödie ein Bild davon gibt, indem er drei senkrecht zueinander stehende Kreise schaut, innerhalb derer das urbildlich-menschliche Antlitz leuchtet. (Paradies, XXXIII. Gesang)
Lucifer
Ebenso wie das Mysterium Gottes ist das letzte Mysterium des Bösen unergründlich für jede menschliche Erkenntnis. Das Entstehen des Widersachers ist tief mit dem Mysterium der Freiheit verbunden. Es ist ein unerforschliches Geheimnis, wie und weshalb ein mächtiges Geschöpf seine Freiheit missbrauchen konnte und dadurch zum Widersacher Gottes wurde. Es bleibt nur die Tatsache, dass ein solches geschehen ist. Diesbezüglich unterscheidet sich die Lehre des Intermediarius von derjenigen der Kirche nicht. Sie steht in Einklang mit den Schauungen aller großen Mystiker, so z.B. Hildegard von Bingen, Theresa von Avila oder Anna K. Emmerich. Alle lehren, dass der Widersacher das urgeschöpfliche, mächtige Wesen ist, das einst vom Himmel herunterfiel. Nach Intermediarius hatte dieses Urgeschöpf, vor seinem Falle, die erhabene Mission, Vertreter der Gottheit zu sein. Es trug ja in sich, wie im Abbilde, die höchsten Attribute der himmlischen Triade. Es war der Morgenstern der Schöpfung, der wahre Lichtträger, „Lucifer“. Seine Macht, seine Schönheit und seine Weisheit übertrafen die der höchsten Hierarchien bei weitem. Sein Urbild war dem Schöpfer am nächsten. Dazu besaß er auch die allergrößte Freiheit. Als die erste, mächtigste Schöpfung Gottes, bewegte sich Lucifer, unabhängig von den neun himmlischen Engelchören, frei durch das ganze Himmelreich. Es muss aber, so Intermediarius, ein jedes Geschöpf durch eine große Prüfung gehen, die Prüfung der Freiheit. Lucifers Prüfung sollte im höchsten Himmel vor dem Angesichte Gottes geschehen. Es liegt ein undurchdringlicher Schleier über dem großen Mysterium dieser Prüfung, deren Folgen auch durch das Zeugnis Christi, im Evangelium, bestätigt werden. Es heißt dort:
„Der Teufel ist in der Wahrheit nicht bestanden; denn die Wahrheit ist nicht in ihm.“ (Lk 8,44)
Weiter:
„Ich sah den Satan einem Blitz gleich vom Himmel fallen.“ (Lk 10,18)
Lucifer bestand die Prüfung nicht und musste den Himmel verlassen. Er wurde zum Gegner Christi und Feinde des Vaters. Sein Herz wurde durch Stolz und Hass entflammt. Sein Haupt behielt die Kraft des Lichtes, es war aber ein geraubtes und zum Eigenlicht gemachtes. Dieses Licht ist nicht das wahre Licht, sondern ein kaltes, blendendes der eigensinnigen, falschen Weisheit, Schönheit und Liebe. Durch seinen Fall vom Himmel stürzte sich Lucifer, das Urböse, in Regionen hinab, wo sich die schöpferische Gotteskraft noch nicht geoffenbart hatte, in die Tiefen des „Abgrundes“. In jenem Gebiet entstand dadurch ein umgekehrtes Bild der Himmelsrose. Intermediarius bezeichnet als „Satan“ den anti-göttlichen, falsch-väterlichen Aspekt des Widersachers. Unter dieser Bezeichnung ist er das falsche, umgekehrte Urzentrum, das verhärtete Prinzip des Eigenwillens. Unter dem Aspekt „Lucifer“ bildet der Widersacher die falsche Sohnschaft, das umgekehrte Bild Christi. Als „Lucifera“ stellt er die falsche Lichtjungfrau dar, die falsche Weisheit, die Anti-Sophia, die als Peripherie die Kräfte des Anti-Zentrums zurückspiegelt. Eine wichtige Mitteilung des Intermediarius besagt, dass das Urböse Lucifer, das einst vom Himmel gefallen ist, im Kosmos selber unsichtbar wirkt. Es ist nur durch seine Diener, die verführten und in seinen Dienst gestellten Hierarchien wahrnehmbar. Der Sturz Lucifers aus dem Himmel rief in den unteren noch passiven Gebieten gewaltige Störungen hervor. Er riss ganze Scharen von Geistern mit sich herunter. Sein Sturz, der in mehreren Stufen vor sich ging, übte einen gewaltigen Einfluss auf die Gestaltung des Universums aus. Bei jeder Stufe musste er mit einem großen Gegner kämpfen. Dies sind die vier mächtigen von Gott beauftragten Erzengel, Uriel, Raphael, Gabriel und Michael. Bei der jetzigen vierten Stufe streitet er mit dem mächtigen Erzengel Michael. Der große Streit im Universum bildet den Grund des kosmischen Gesetzes des „Dualismus“. Das Zentrum der Erde, der tiefste Punkt des Falles Lucifers, vertritt am stärksten die Abgrundskräfte. Die Lehre von den Folgen des Falles Lucifers im Kosmos gehört zur christlichen Kosmologie.
Der Urkosmos (das Archäum)
Den Urzustand des dualistisch gewordenen Kosmos nennt Intermediarius „Urkosmos“ oder „Archäum“. Das Archäum ist das Reich der „Urnatur“. Es liegt zwischen dem Himmel als dessen Abbild und dem Kosmos als dessen Urbild. Als das eigentliche Reich der Lichtjungfrau spiegelt es das Leben des Urvaters in das Licht der Weisheit zurück. Ist der Himmel das Reich der geistigen Urbilder, so ist das Archäum das Reich der seelischen Hüllen dieser Urbilder. Diese sind die lebendigen „Ideen“ aller Kreaturen. Der Urkosmos ist ein Abbild der Himmelsrose in der Gestalt eines siebenfarbigen Lichtbogens. Sein Sinnbild ist auch die weiße Lilie. Die Hauptfarben dieses siebenfarbigen Lichtreiches sind: das Purpurrot als Farbe der Macht, das Goldgelb als Farbe der Erhabenheit und das Himmelsblau als Farbe der Weisheit.
Das Wesen des Archäums war schon den vorchristlichen Mysterien bekannt. In den altägyptischen Mysterien wurde die himmlische Isis als die Göttin und Mutter der reinen Urnatur verehrt. „Der Schleier der Isis“ ist eine Hindeutung auf die Unmöglichkeit für den nicht Eingeweihten, die „entschleierte“, verklärte Weltenseele zu schauen. Das alt-hermetische Symbol des Archäums war die Lotosblume, die einem Kelch gleich, nach oben geöffnet ist. Die Weisheitslehre der „Isis-Mysterien“ war die Urquelle der späteren altgriechischen Mystik und Philosophie, speziell der Lehre der „Ideen-Welt“ Platos.
Die drei Hauptfarben des Archäums stellen außerdem die drei himmlisch-göttlichen Eigenschaften, als die „flammende“ (feurige), „atmende“ und „spiegelnde“ Kraft des roten, gelben und blauen Lichtes dar. Diese drei Urkräfte sind die Urbilder der drei kosmischen Elemente: des Feuers, der Luft und des Wassers. Das Archäum offenbart sich ferner der Schau der Eingeweihten in der Gestalt eines großen, kristallenen Tempels, der die Form eines Kreuzes hat. Dessen vier Richtungen sind durch die Strahlen von vier roten Rosen durchleuchtet. Sieben Hierarchien (ab den Thronen abwärts) leben und wirken in ihrem seelischen Abbild als Archetypen im Reich des Urkosmos. Jedes von den sieben Lichtreichen des Archäums besitzt seinen besonderen Führer. Die sieben Führer gehören der Hierarchie der Kyriotetes an (Geister der Weisheit), bilden aber in ihrer Einheit ein Wesen, das dem Chor der Throne gleich ist. Sie werden die sieben Elohim genannt und stehen unter direkter Führung der zwölf großen Himmelswächter (12 Throne).
Die sieben Lichtsphären sind die Urbilder der sieben kosmisch-planetarischen Sphären (Siehe Tabelle 3)
Der Mittelpunkt des Archäums ist Christus. Im Reiche der Lichtjungfrau offenbart Er sich als das „Lamm Gottes“. Wie Johannes in seiner Apokalypse verkündet, besitzt das „Lamm“ allein die Macht, das Buch mit den sieben Siegeln zu eröffnen, d.h. die Geheimnisse der sieben Lichtsphären zu erkennen und zu offenbaren.
Der Kosmos
Die Kosmologie des Intermediarius sucht das Wesen des Kosmos nicht aus ihm selbst zu erklären, sondern aus den Ereignissen, die sich vorher in den göttlich-himmlischen Welten abgespielt hatten. Erst durch die Einwirkung der störenden, zersplitternden und verdichtenden Kräfte des Widersachers bekommt der Kosmos seinen relativen und dualistischen Charakter. Die erste Folge des großen kosmischen Streites zwischen dem Widersacher und den vier Erzengeln ist die Bildung der kosmischen Ursonne als Zentrum des Universums. Es folgen aus ihr heraus drei gewaltige Formungen, 1) das „Ternarium Mundi“, 2) der große universelle „Zodiakus“ und 3) das erste „Planetarium“. Alle weiteren kosmischen Abstufungen und Zersplitterungen sind nur eine Detaillisierung dieser drei ursprünglichen Grundformen. Die Entstehung des „Ternariums Mundi“ aus der kosmischen Ursonne heraus geschieht durch die Spiegelung der himmlischen Triade in der Form von drei senkrecht aufeinander stehenden Lichtkreisen. Der zentrale Kreis ist an die vertikale Richtung gebunden, der peripherische an die horizontale und der mittlere an jene Richtung, die die Verbindung zwischen den beiden ersteren Kreisen ermöglicht. An ihren Schnittpunkten entstehen für jeden Kreis vier Knotenpunkte, somit zwölf Knotenpunkte im Ganzen. Aus der gegenseitigen Berührung dieser drei Kreise und aus den Verbindungslinien zwischen den Knotenpunkten und dem Zentrum entstehen drei Kreuze. Die zwölf Knotenpunkte des Ternarium Mundi sind keine Abstraktionen, sondern wirkliche, kosmische Kraftzentren. Ein jedes Zentrum ist eine Sammlung von gewaltigen, dualistischen Kräften und kosmisch-hierarchischen Wesen. Ein jedes Zentrum besitzt außerdem seinen spezifischen Charakter und seinen entsprechenden Führer. Die verschiedenen Eigenschaften dieser zwölf Zentren bilden ein kompliziertes, sich gegenseitig ergänzendes Ganzes, das in der Sprache der christlichen Weisheit der große „Zodiakus Universi“ genannt wird. So wie die Ursonne das zentrale Prinzip vertritt, so vertritt der große Zodiakus das peripherische Prinzip. Das vermittelnde Prinzip wird durch das große „Planetarium“, d.h. das Reich der sieben kosmischen Planetensphären, vertreten. Die Tätigkeit des Widersachers bewirkt die Zersplitterung und Verkleinerung dieser Dreiheit in den zahlreichen Spiegelbildern derselben innerhalb des kosmischen Raumes, auf allen Stufen des Universums bis auf die Vielheit der physischen planetarischen Systeme. Ein jedes Planetensystem wiederholt in sich diese drei Prinzipien der ursprünglichen Dreiheit. Das zentrale Prinzip der Ursonne, wiederholt sich in jeder Sonne; das vermittelnde Prinzip in den Planeten, und das peripherische Prinzip in dem Umkreise der Gestirne in zwölffacher Einteilung. Die Tendenz der Zersplitterung und Verdichtung, die im Universum zur Absonderung der kosmischen Regionen voneinander führt, wird die „Involution“ genannt. Es entwickeln sich drei Hüllen innerhalb der drei Hauptregionen, die die folgenden Namen tragen: 1. die „siderische“ Hülle, dem Archäum am nächsten und dargestellt als die Schlange, die sich in den Schwanz beißt; 2. die „elementarische“ Hülle; 3. die „physische“ Hülle (Siehe Tabelle 4). Die Involution führt in vier Etappen von der siderischen Hülle bis zur physischen Hülle des Kosmos. Unser irdisch-physischer Zustand ist die vierte Etappe. Das kosmische Rad dreht aber weiter, wieder aufwärts, bis zum siderischen Anfangspunkt.
Diese Aufwärtsbewegung wird die „Evolution“ genannt. Alle kosmischen Wesen bewegen sich auf diesem riesigen kosmischen Rad und stehen unter den Einflüssen der ab- und aufsteigenden Kräfte der Involution und Evolution. Aus Tabelle 4 geht hervor, dass der Kosmos in zwei Teile zerfällt, nämlich in eine untere „Nachthälfte“ und in eine obere „Tageshälfte“. Die untere „Nachthälfte“ umfasst das Reich der Elemente und wird „Elementenmeer“ genannt. Sie erstreckt sich von der Erde bis zur Sonne. Sie ist von der Zahl „5“ beherrscht (4 Elemente und 1 „Quintessenz“). Die „Tageshälfte“ des Kosmos umfasst den oberen Teil der elementarischen Region und die siderische Region. Der obere Teil der „Forma Elementalis“ (von der Sonne bis zu Saturn) ist durch die Zahl „7“ beherrscht, die „Forma Sideralis“ (oder die Sternenwelt) durch die Zahl „12“.
An der „Oberfläche des Elementenmeeres“ befindet sich die Sonnensphäre. Sie ist eine Abbildung des zentralen, urväterlichen Prinzips und bildet somit das Zentrum unseres planetarischen Systems. Die Sonnensphäre stellt das ursprüngliche Paradies dar. Unser Planet Erde entspricht der tiefsten Stufe der Involution. Sie stellt das verdichtete Zerrbild des kristallenen Lichtzentrums der Sonnensphäre dar. Als eine Herausbildung nach dem Fall des Menschen aus dem Paradies.
Die kosmischen Hierarchien
Es gibt drei Haupttypen von Hierarchien, die im Kosmos tätig sind.
- Die so genannten „wahren Hierarchien“, die als reine Abbilder ihrer himmlisch-archaischen Urbilder im Kosmos wirken (sie sind die Hierarchien des Gottvaters).
- Die so genannten „luciferischen Hierarchien“ (oder „Kinder Lucifers“). Sie stellen verschiedene Grade des Bösen dar und zerfallen ihrerseits in zwei Kategorien. Erstens diejenigen hierarchischen Wesenheiten, die, Lucifers Fall folgend, sich ganz von ihren Urbildern getrennt haben. Sie sind ganz dem Bösen zugewandt und leben im Abgrund, von wo aus sie ihre bösen Taten im Kosmos ausüben. – Zweitens diejenigen hierarchischen Wesenheiten, die sich nur teilweise von ihren himmlisch-archaischen Urbildern getrennt haben und dadurch dualistische Wesenheiten geworden sind. Sie können sich sowohl für das „Böse“ als auch für das „Gute“ entscheiden.
- Sofern sie sich für das „Gute“ entschieden haben, bilden sie, als dritter Haupttyp der Hierarchien, die „erlösten luciferischen Wesenheiten“ und werden zu Mitkämpfern der Legionen Christi. Nun sind sie die Hierarchien des Gottessohnes.
Es sei bemerkt, dass die vier großen „Erzengel“ (Uriel, Raphael, Gabriel und Michael) nach Intermediarius, nicht zu den Hierarchien gehören. Sie tragen den Namen „Erzengel“ nur, weil ihr Tätigkeitsbereich bis in die Region der wirklichen Erzengel sich hineinerstreckt. Sie sind über alle Hierarchien, die im Kosmos tätig sind, erhaben. Im Auftrag Gottes hüten sie die vier Himmelsrichtungen, die entstanden sind mit dem Fall Lucifers. Sie sind die Behüter der im zeitlichen nacheinander entstandenen kosmischen Hüllen. (Siehe Tabelle 5)
Der himmlische Mensch (oder „Homo Coelestis“)
Der himmlische Mensch, in der Weisheitssprache des Intermediarius „Imago Coelestis“ genannt, ist ein von Gott selbst unmittelbar geschaffenes Wesen. Als ein erhabenes Ebenbild Gottes und ein Kleinbild des Sohnes, als so genannten „Mikrologos“, stellt er das wahre Urbild des Menschen dar. Der gottebenbildliche Mensch ist ein rein geistiges Wesen und hat seinen Wohnsitz in der Himmelsrose. Er wurde dreigliedrig geschaffen; die drei Glieder seines Wesens sind: Der „Gottmensch“, der „Menschensohn“ und der „Himmlische Mensch“. Der „Gottmensch“ ist der höchste Aspekt der menschlichen Wesenheit. Er ist der „Betende“ und in völliger Einheit mit Christus. Er ist der Träger der höchsten Liebe und besitzt die allerhöchste priesterliche Würde. Er thront in den höchsten Himmeln, im Empyreum.
Der „Menschensohn“ bildet den Mittelpunkt, das Zentrum der menschlichen Wesenheit. Er ist der Träger der höchsten Weisheit und Selbsterkenntnis. Er ist der „Wissende“ und hat die Würde des Hierophanten. Er thront im zweiten Himmel, im Kristallhimmel.
Der „Himmlische Mensch“ als dritter Aspekt des menschlichen Urbildes thront im dritten Himmel, im Fixsternhimmel, und von da aus schaut er in die unteren kosmischen Reiche hinab. Er besitzt die Macht des Willens und wird „der König“ der Schöpfung sowie der „große Hüter“ der himmlischen Schwelle genannt. Seine Mission war, durch seinen Willen alle Regionen des Kosmos zu beherrschen und zu durchleuchten, ohne aber sich selbst in den dualistischen Sphären des Kosmos zu verlieren. Die Verführung dieses „Menschen“ durch Lucifer, an der Schwelle von Himmel und Kosmos, bestand in der zerstörerischen Einwirkung auf sein Abbild im Archäum. Der „Mensch“ wurde von seinem himmlischen Urbild getrennt. Dieses Urbild blieb aber geistig in seiner ursprünglichen Einheit im Himmel weiterhin bewahrt.
Der verführte „Mensch“ fiel ab vom Archäum in den Kosmos hinein und, gefangen, wurde er zum „kosmischen Menschen“ (Homo Universalis). „Gekreuzigt“ auf dem Kreuz des kosmischen Rades, peripherisch geworden, erlitt er die Zerteilung seines Wesens in die vier Haupt-Raumesrichtungen. Mit seinem Fall verlor er seine universelle, königliche Würde und erhielt den dualistischen Charakter des Kosmos eingeprägt. (Siehe Tabelle 6)
Der kosmische Mensch (oder „Homo Universalis“)
Intermediarius wie auch die Vertreter der verschiedenen okkultistischen Richtungen nennen den kosmisch gewordenen „Mensch“ den großen makrokosmischen Menschen, den „Adam-Kadmon“. Die verschiedenen kabbalistischen Systeme verwechseln ihn jedoch, nach Intermediarius, mit dem himmlischen „Menschen“ und verehren ihn fälschlicherweise als den absoluten, göttlichen, ohne zu wissen, dass dieser „kosmisch“ gewordene „Mensch“ sein „zentrales“ Bewusstsein verloren habe und zu einer „naturhaften“, „peripherischen“ Wesenheit geworden sei. Um sein „zentrales“ Ich-Bewusstsein wiederum zu erlangen, musste er, so Intermediarius, neu geschaffen werden und dies sei am Anfang unserer Erdenentwickelung auch geschehen. Von diesem neu geschaffenen Menschen berichtet die Bibel in der Genesis, dass Gott ihn aus einem Klumpen Erde geschaffen habe und ihm dann seinen Odem einhauchte. Das „Paradies“, in dem dieser neue Mensch ursprünglich lebte, befand sich, nach Intermediarius, in der Sonnensphäre, daher nannte sie ihn den „Sonnenmensch“.
Dieses ursprüngliche Wesen wurde in zwei Typen getrennt: einen geistigen, zentralen, seiner „Person“ entsprechenden männlichen Typus, und einen seelischen, peripherischen, seiner „Natur“ entsprechenden weiblichen Typus.
Die Prüfung der Freiheit dieses Paares fand nun statt. Sie bestand darin, dass es ihnen „verboten“ war, von den Früchten des „Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ zu genießen. Als rein geistige Wesen, in der Sonnensphäre, sollten sie sich vor den dualistischen Kräften des Kosmos hüten. Adam und Eva, wie sie hießen, bestanden diese Prüfung nicht und sie fielen stufenweise in immer dichtere Gebiete hinab.[15] Gleichzeitig mit dieser Trennung fand die Absonderung der „Erde“ aus der Sonnensphäre statt. Auf dem Weg in die dichtere Materie, folgten noch weitere Versuchungen, denen Adam und Eva auch nicht widerstehen konnten. Sie bekamen dichtere Hüllen, bis sie, physisch-mineralisch, die Füße auf die feste Erde setzen konnten.
Dem Gesetz der Zersplitterung folgend, wurde aus dem ursprünglichen Sonnenmenschen eine Vielheit, eine Erdenmenschheit.
Die irdische Menschheit
Kain, der erste Sohn Adams, war von den tragischen Folgen des Sündenfalles am tiefsten betroffen. Er stellt den Typus der niedersteigenden Linie des menschlichen Bewusstseins dar, welches sich auf Kosten der höheren, geistigen Prinzipien mit der niederen Natur seiner Wesenheit und des Universums identifizierte.
Der zweite Sohn Adams, Abel, stellt seinerseits den Typus der aufsteigenden Linie, d.h. des himmlisch gerichteten Bewusstseins dar. Sein Opfer stieg, wie die Bibel berichtet, ungehindert aufwärts zu Gott, während sich das Opfer Kains im Reiche des Kosmos horizontal ausbreiten musste. Der Brudermord von Kain verbirgt eine tiefe Bedeutung. Kain hat dasjenige neben sich vernichtet, was sein Vater Adam in sich selbst getötet hatte, nämlich das höhere, geistige Prinzip.
Abel ist der Vorläufer aller späteren vergeistigten Erdenmenschen, „die nicht von dieser Welt sind“. Kain ist der Stammvater eines ganzen Geschlechtes gewalttätiger, Gott fernbleibender, in bloß irdischere Tätigkeit gefangenen Menschen.
Die adamitische Menschheit wurde in zwei Richtungen aufgeteilt: die so genannte „Sonnenmenschheit“, die mit dem Tod Abels von der Erde vertrieben wurde, sich wiederum mit der paradiesischen Sonnensphäre vereinigte, und die eigentliche „Erdenmenschheit“ (oder Kainmenschheit). Der spätere Sohn Adams, Seth, stellt den Typus des der Erde angepassten Abelmenschen dar. Der hohe geistige Einfluss der Abelmenschheit konnte für die Erde durch die Sethmenschheit vermittelt werden.
Der Weg der Mysterien der Sethmenschheit (hauptsächlich in Altägypten) bestand in der strengen Läuterung der Wesensglieder des Neophyten und in der unmittelbaren Vereinigung seines Bewusstseinszentrums mit den überkosmischen Reichen. Der Weg der kainitischen Mysterien (zentralisiert im alten Babylon) bestand in der Ausbreitung des Bewusstseins des Aspiranten im Makrokosmos.
Mit dem Kommen Christi auf die Erde und durch die neuen christlichen Mysterien wurden die alten Typen von Mysterien abgelöst.
Der spätere christliche „Abelmensch“ findet sein Vorbild im Apostel Johannes, der verchristlichte „Sethmensch“ in Petrus, und der verchristlichte „Kainmensch“ im Heiligen Paulus.
Der Tod des physischen Menschen
Der geistige Kern des Menschen, der Mikrologos, ist unsterblich. Der physische Tod bedeutet nur die Trennung zwischen diesem ewigen Kern und den äußeren vergänglichen Hüllen.
Mit dem Eintritt des Todes erwacht der Mensch zu einem kosmischen Dasein. Sein weiteres kosmisches Leben in den verschiedenen Regionen des Kosmos verläuft als Weg der Läuterung und ist wie die Umkehrung des kosmischen Falles des einst himmlischen Menschen. Nach Vollendung dieses Weges erwartet den Menschen an der himmlischen Schwelle eine geistige Prüfung, vor Christus. Das Bestehen dieser Prüfung ermöglicht ihm seine Rückkehr in die ewige himmlische Heimat als wiedergeborener Mensch, der mit seinem Urbild wieder vereinigt ist. Der Durchgangsweg aber offenbart dem Menschen zuerst alle Gesetze und Eigenschaften des dualistischen Kosmos, d.h. des „Guten“ und des „Bösen“. Zugleich ist dieser Weg eine schmerzliche Läuterung, deren Dauer und Intensität durch den Charakter des irdischen Lebens des Menschen und vor allem durch seine Stellung zu Christus bestimmt werden. Jeder mit Christus vereinte Mensch begegnet Ihm auf der großen, kosmischen Wanderung und bekommt Hilfe und Kraft durch Ihn. Diejenigen Seelen aber, die sich während ihres Erdenlebens nur als irdische Wesen behaupteten, finden sich nach ihrem Tode ausschließlich ihren eigenen Kräften überlassen. Nach Vollendung ihres kosmischen Weges erscheinen sie aber auch an der himmlischen Schwelle, jedoch mit zu wenig Bewusstseinskräften und sie können deswegen die geistige Prüfung nicht bestehen. Dies ist heute für die meisten Menschen der Fall. Das große makrokosmische Rad zieht sie in seine Kreise hinein und nimmt sie wieder mit in die tieferen kosmischen Sphären. Dadurch tritt jedes Mal so etwas wie eine Wiederholung des ersten Falles des Menschen ein. Die Seele muss, mit neuen Hüllen bekleidet, zum Erdenreich zurück, um ein neues Leben anzufangen.
In dieser Unzulänglichkeit des geistigen Kernes ist, nach Intermediarius, der Grund für die Notwendigkeit der Reinkarnation des Menschen zu suchen.
Christus
Der Lehre des Intermediarius gemäß, findet man in Christus drei Hauptaspekte, die voneinander zu unterscheiden sind:
- das ewige Wort oder der Logos als Sohn Gottes in seiner göttlichen Majestät;
- den Mittelpunkt der Himmelsrose in der Person des Christus als Vermittler, der auch den höchsten Aspekt des Urbildes der Menschen, als Gottmensch, darstellt.
- den Allerlöser des Kosmos und der Erde.
Der kosmische Weg des Christus fing im Archäum an, dem Reich der seelischen Urbilder. Im Aspekt des Gottmenschen stieg er dort hinunter und bekam von der Lichtjungfrau eine seelische Lichthülle als Umkleidung. Johannes, der Apostel, spricht von Ihm, in seiner Apokalypse, als von dem „Lamm Gottes“, das die sieben Siegel des Weltbuches öffnet.
Mit seinem Eintritt in den Kosmos nimmt Christus eine Gestalt an, die, in ihrer unendlichen Liebe, einen Verzicht auf seine himmlische Glorie bedeutet.
In der ersten siderischen Sphäre nimmt er ihre Substanz als Hülle an, macht die Entwicklung dieser Sphäre mit und, in einer ersten großen Opfertat, lässt er seine erlösenden Kräfte nach den vier kosmischen Richtungen ausstrahlen. Daher spricht Intermediarius von einer „kosmischen Kreuzigung“ Christi. Er steigt weiter durch alle Regionen des Kosmos, durch alle Reihen der Hierarchien hinab, deren Formen er jedes Mal annimmt, bis auf die Erde hinunter. In jeder Region des Kosmos geschieht eine weitere Opfertat, wodurch die betroffene Region zur Wiedergeburt fähig gemacht wird.
In der Sonnensphäre erscheint der Gottmensch-Christus, inmitten der Exusiai (Geister der Form), als der zweite „geistige Adam“ dort, wo der erste Adam seine Prüfung nicht bestanden hatte. Mit dem anschließenden Erscheinen Christi auf der Erde findet zuerst ein Vorgang statt, der ein tiefes Mysterium darstellt. Diesen Vorgang nennt Intermediarius die „zweite Schöpfung Gottes“. Darüber liest man bei Ihr:
„Die zweite Schöpfung tritt ein als Folge einer Änderung, die sich in der Trinität selber so darstellt, dass das Antlitz des Sohnes, in Vereinigung mit dem des Heiligen Geistes, statt des Angesichtes des Vaters, sich der Himmelsrose zuwendet. Was dieser Umwendung zugrunde liegt, ist nicht zu erfassen; es kann nur geahnt werden, wie der Sohn, von unendlicher Liebe erfüllt, vereint mit dem Heiligen Geiste, sich der absterbenden Schöpfung zuwendet und sich nach ihr hinneigt. Christus, der Mittler, tritt durch diese Wendung so hervor, dass Er, der bisher die urväterliche Kraft mit der urmütterlichen Weisheit in Liebe vereinigte, nun selber zum strahlenden Centrum wird […]. Während die größte Machtfülle bisher vom urväterlichen Centrum in lebendig-schaffender Kraft ausströmte […] erhält nun Christus die Fülle der Macht […] Die ganze Schöpfung, zunächst die Himmelsrose, nimmt dadurch einen anderen Aspekt an. Die bisher tätige schaffende Kraft wird beherrscht durch die Kraft der Liebe […]. Es ist der göttliche Wille in die göttliche Liebe übergegangen.“ (I. Buch, 1933, S. 116-117)
Durch sein Leben auf der Erde ist Christus ein Vorbild zur Nachfolge für die Menschen geworden. Freiwillig und in der größten Liebe hat er den ursprünglichen Weg des menschlichen Falles aus dem Himmel in umgekehrter Richtung beschritten und dadurch eine neue Bahn zum Himmel eröffnet. Für die Menschen bedeutet diese Tat einen Weg der Wiedergeburt und der Vereinigung mit dem Wesen Christi, als dem menschlichen Urbilde.
Der Weg der Wiedergeburt
Der Weg der Wiedergeburt des Erdenmenschen ist der Weg der christlichen Einweihung. Die Stationen des Leidensweges Christi bestimmen die Hauptstufen dieses Regenerationsprozesses.
Die drei Hauptstufen sind: die Läuterung, der mystische Tod in Christo und die Wiedergeburt durch die Kraft des Heiligen Geistes. Die drei Arten der christlichen Einweihung verfolgen alle dasselbe Ziel, der Einswerdung mit Christus. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der erste Weg (innerhalb der „Mysterien der Kirche Christi“) vorzugsweise der Weg des „Fühlens“, der zweite Weg (innerhalb der „Mysterien der Erlösung“) der Weg des „Wollens“ und der dritte Weg (innerhalb der „Mysterien der Erweckung“) der Weg des „Denkens“ ist. Der erste Weg ist der mystische Weg, auf dem Boden der „Nachfolge Christi“ stehend. Beide anderen Wege bestehen in dem Nacherleben der sieben Stufen (oder Stationen) des Leidensweges Christi, aber in ihrem kosmischen Aspekte. (Siehe Tabelle 7)
Teil IV:
Die Bücher des Intermediarius
Einwände und kritische Fragen
Im letzten Teil dieser Betrachtung des Werks von Intermediarius werden in fünf Abteilungen Einwände behandelt, die der Verfasser nach langjähriger Beschäftigung mit dem Werk des Intermediarius glaubt machen zu dürfen.
- Das Problem der Überarbeitung der 2. Auflage, 1933.
- Das Problem der Anonymität des Intermediarius.
- Das Problem eines wesentlichen Widerspruches in der Lehre.
- Das Problem von Wiederholungen anthroposophischen Lehren ohne Quellennachweis.
- Argumente des Verfassers dieser Studie gegen die Kritik an der Anthroposophie auf Seiten der Anhänger des Intermediarius.
1. Die Überarbeitung der 2. Auflage
Die drei folgenden Beispiele beziehen sich alle auf Luzifer (siehe die nachfolgenden 4 Kästen):
Ferner wurde 1933 aus der ursprünglichen Einleitung des II. Buches (1918) eine lange Stelle in Bezug auf die drei Wirkungsarten der „Mysterien der Erweckung“ in Religion, Kunst und Wissenschaft ohne Begründung weggelassen. Diese Weglassung umfasst drei volle Seiten des Buches. Sie können bei der Redaktion bezogen werden.
Das letzte Beispiel zeigt eine Textumarbeitung in der 2. Aufl. des 1. Buches Intermediarius: Der ursprüngliche klare Text wird in einer Weise geändert, dass der Leser den genauen Zusammenhang zwischen Planeten und Hierarchien nicht mehr sieht und sich so eine bestimmte Frage nicht stellt, nämlich: Mit welcher Hierarchie ist denn der Planet Pluto (entdeckt 1932) verbunden, wenn die höchsten Seraphim schon dem Neptun zugeteilt sind?
2. Die Anonymität des Intermediarius
Intermediarius wollte offensichtlich ihre Identität als Mensch nicht bekannt geben, daher das Pseudonym. In zwei Textstellen ihrer Bücher gibt sie selber die Gründe an:
„Der Verfasser selber spielt […] nur die Rolle eines Vermittlers; sein Name als Persönlichkeit kommt deswegen nicht in Erwägung. Das Buch erscheint daher unter dem Namen ‚Intermediarius‘.“ (I. Buch, Vorrede) – „Der symbolische Charakter des Namens Intermediarius muss jedoch so verstanden sein, dass der Unterschied klar ist zwischen dem Verfasser des Buches und dem Geiste, welcher daraus spricht. Die Art der Mitteilung, die gedankenmäßige Form und intuitive Darstellung dieser Weisheit sind vom Verfasser selber; dagegen ist die esoterische Weisheitslehre mit ihren Betrachtungen über die verschiedenen Arcana und ihrer Symbolik der christlich-hermetischen Überlieferungen entnommen, welche ihre Inspirationsquelle in den ‚Mysterien der Erweckung‘ haben.“ (III. Buch, Vorrede)
Durch Äußerungen Rudolf Steiners wird jedoch ersichtlich, dass die Namenlosigkeit in Bezug auf esoterische Veröffentlichungen höchst problematisch erscheint: „Heute ist die Zeit, wo die Menschheit lernen muss, dass es gar nicht mehr so sehr auf den Inhalt ankommt, sondern darauf ankommt, wer etwas sagt; dass man kennen muss den Menschen aus dem, was er sagt, weil die Worte nur Gebärden sind und man kennen muss, wer diese Gebärde macht […] Es ist eben ein Unterschied, ob im persönlichen Ich erkämpft wird Satz für Satz, oder aber, ob es von unten oder von oben oder von seitwärts her in irgendeiner Weise zum Beispiel eingegeben ist.“ (GA 182, 16.10.1918)
Und: „Für die Überlieferung [geisteswissenschaftlicher] Lehre ist es daher recht wichtig, dass derjenige, der die Lehre aus den Quellen heraus mitteilt, mit seiner eigenen Persönlichkeit, so wie er dasteht in der physischen Welt, die volle Verantwortlichkeit für die Lehren übernimmt, und er darf sich nicht berufen auf unbekannte Meister.“ (GA 162, 1.8.1915)
3. Ein Widerspruch in der Lehre des Intermediarius
Die Herkunft des Menschen am Anfang unserer jetzigen Erdenentwicklung wird in den Darstellungen des Intermediarius widersprüchlich behandelt. So wird einerseits die Ansicht vertreten, dass Adam aus einem einst gefallenen himmlischen „Menschen“ neu geschaffen worden ist. Aus einem peripherisch-naturhaft gewordenen Menschen, dem kosmischem Adam Kadmon, musste ein zentraler, Ich-bewusster Mensch entstehen, der paradiesische Adam. Dieser Aspekt der Lehre wurde schon in Teil III dieser Studie (s. Novalis 5/6 2001) ausführlich behandelt.
Andererseits aber wird auch die Ansicht vertreten, in Widerspruch zu der vorherigen, dass der Mensch ohne tragischen Vorfall direkt ins Paradies versetzt worden ist. Man lese dazu die folgende Textstelle: „Solange das menschliche Urbild in der Himmelsrose lebt, ist es ein geistig-seelisches Geschöpf, das die himmlische Triade in sich widerspiegelt; unter der Führung Michaels werden ihm die Kräfte des Wassermanns eingeprägt und schaut er als himmlischer Mensch herunter in die Region des Fixsternhimmels, von welcher Michael seine Taten ausgehen lässt. Von dieser Region aus folgt der Mensch seinem Führer Michael, der seine Wirkung bis in jene vierte Region von Lucifer’s Reich hineinstrahlt […] Aus der Region des Fixsternhimmels, gehütet durch Michael, steigt der Mensch hinunter in die Sphären des kosmischen Reiches und auf seinem Wege begegnen ihm die Hierarchien […] Mit heiliger Liebe, Freude und Ehrfurcht schauen sie zum erstenmal jenes Wesen, das, kurz zuvor, doch in ewiger Gegenwart, aus dem Herzen des Vaters hervorgegangen, wie ein Bote aus den himmlischen Regionen in ihrer Mitte erscheint, denn sie wissen, dass es die göttliche Triade in sich trägt und als Abbild Gottes seine Kräfte so in das vorhandene Chaos hineinbringt, dass für den früheren Fall der Engel die Erlösung kommen kann. Voller Hoffnung sehen sie den Menschen, als er seinen Weg von dem Fixsternhimmel bis zur vierten Region betritt, wird sie scharen sich um ihn und begleiten ihn und segnen jeden seiner Schritte, indem sie beide Seiten des Weges einnehmen.
Auch die luciferischen Diener sehen den Menschen hinuntersteigen und werden von Hass und Furcht erfüllt; der Weg aber, den der Mensch geht, ist derselbe, den auch die Kräfte Michaels nehmen, wenn sie vom Fixsternhimmel bis in die vierte Religion hineinstrahlen; daher können die luciferischen Diener den Menschen nicht erreichen, weil er unter Michaels Schutz geht.“ (I. Buch, 1933, S. 50)
4. Wiederholung anthroposophischer Lehren ohne Quellennachweis
- Das ursprüngliche Opfer der Geister des Willens (Throne) als Wärme
„Dieses Feuer (der Throne) ist die Opferflamme, durch welche sie, auf eigene Kräfte des Willens verzichtend, dieselben zur Begründung und Festigung des höchsten Willens hingeben. Auf dem Altar des Allerhöchsten steigt die Feuerkraft ihres Willensopfers zu Gott empor und bildet die Grundlage für seinen Thron im Universum.“ (II. Buch, 1918, S. 96)
- Das alt-persische Mysterienwesen; Die Sonne; Ormuzd und Ahriman
„Der persische Eingeweihte erlebte die Sonne so, dass sie ihm vorkam wie ein Lichtkörper, hinter dem sich das Wesen des großen Sonnengeistes verbirgt […] Die Sonne war der Mittelpunkt, um den sich alle Weisheit der persischen Einweihung bewegte. Das Wesen von Licht und Wärme, im Gegensatz zu Finsternis und Kälte, wurde solchen Eingeweihten Menschen offenbart, wie es im ganzen Kosmos seinen größten Gegensatz bildet als Ormuzd und Ahriman.“ (I. Buch, 1933, S. 101)
- Lazarus, der nach seiner Aufweckung durch Christus, den Namen „Johannes“ trägt
- bei Intermediarius, II. Buch, 1918, S. 52, 62.
- Die astronomischen und okkulten Planeten Merkur und Venus
Intermediarius schreibt: „Die Namen […] sind im Laufe der Zeit miteinander verwechselt worden, so dass derjenige Planet, der in der heutigen Astronomie den Namen Venus trägt, in früheren Zeiten […] den Namen Mercur getragen hat, der heutige Mercur wurde dazumal Venus genannt.“ (I. Buch, 1933, S. 88) – Vergleiche R. Steiner: GA 104, 20.6.1908; GA 106, 5.9.1908; GA 110, 15. April 1909.
- Die Venussphäre als Luzifers Sphäre
bei Intermediarius, I. Buch, 1933, S. 99, bei R. Steiner, u.a. in GA 137, 11. u. 12. Juni 1912.
- Die nachtodliche Rückschau des Lebens. Die inneren Bilder werden „äußere“ Realitäten
Intermediarius: „Während der Zeit zwischen dem ersten (physischen) Tod und dem zweiten (ätherischen) Tod lebt der Mensch sein irdisches Leben seelisch wiederum durch, mit dem Momente, da es mit dem Tode abgeschnitten wurde anfangend, bis an den Zeitpunkt seiner irdischen Geburt. Gleichsam rückwärts durchlebt er seelisch jenen Erdenweg, den er in der irdischen Hülle auf der Erde selber durchmachte. Damit der Mensch auch das in seinem wahren Wert schätzen lernt, was er sich auf Erden durch sein Denken, Fühlen und Wollen angeeignet hat, erlebt er dieses Denken, Fühlen und Wollen mit den Ergebnissen, die damit verknüpft sind, in seine unmittelbare Umgebung projiziert, als die aus der Außenwelt an ihn herantretenden Wirkungen. Während der Mensch sein Erdenleben so zurückerlebt bis zur ersten Kindheit, durchschreitet er verschiedene Perioden, die wie Zeitensphären in Beziehung stehen zu den makrokosmischen Centren, welche die Erde umgeben.“ (I. Buch, 1933, S. 169)
Vergleiche R. Steiner: GA 94, 2.6.1906; GA 168, 22.2.1916; GA 234, 9.2.1924.
- Die nachtodlichen 12 verschiedenen Bewusstseinsformen
bei Intermediarius, III. Buch, 1933, S. 124, bei R. Steiner, GA 141, 10.12.1912.
- Der heutige Schwellenübergang der Menschheit und das neue ätherische Hellsehen
Intermediarius: „… die Mehrzahl der Menschheit [ist] heute an einem kritischen Punkt angelangt, wo sie anfängt, sich allmählich vor der physischen Erdenwelt und dem eigenen physischen Körper aus in die nächste kosmische Region, die der Forma Elementalis, hineinzuleben […]. … die Menschheit [befindet] sich am Wendepunkte […], wo sie im Begriffe ist, eine wichtige Schwelle zu überschreiten.“ (IV. Buch, 1933, S. XV, 64) –
Vergleiche R. Steiner, GA 118, 1910.
- Der Gebrauch von anthroposophischen Ausdrücken wie „Imagination – Inspiration – Intuition“
Ein Beispiel bei Intermediarius: „Durch die Kraft der Imagination, der Inspiration und der Intuition erhält das menschliche Bewusstsein die Möglichkeit […]“ (II. Buch, 1918, S. 86)
- Rosenkreuzerische Einflüsse im Werke Goethes
Intermediarius: „[…] dass die Mysterien der Erweckung mit dem Symbol des Kreuzes und der Rosen immerfort wirksam waren, ist hier und dort in Wissenschaft und Kunst zu sehen. Das Fragment Goethes, Die Geheimnisse ist wohl ein Zeichen dafür.“ (II. Buch, 1918, S. 67) – Vergleiche R. Steiner, GA 99, 22.5.1907.
- Der Unterschied zwischen den vor- und nachchristlichen Einweihungsmethoden
bei Intermediarius, II. Buch, 1918, S. 53 (u.a.), bei R. Steiner, GA 123, 7.9.1910 (u.a.)
- Die kleineren Epochen von 600 Jahren in der Geschichte
Intermediarius: „In den ersten sechs Jahrhunderten nach Christus wurde zunächst von den zurückgebliebenen und dem Widersacher verfallenen Mysterien fortwährend der Versuch gemacht den religiösen Glauben des Christentums zu fälschen […] Während den nächsten sechs Jahrhunderten, bis zum 13. Jh. ungefähr, veräußerlicht dieser Kampf sich immerfort […] Durch Einwirkung aus dem Osten (Sarazenen und Mauren) wurde in die Kultur Europas der Kern gelegt zu dem, was sich dann in den nächsten sechs Jahrhunderten, etwa vom 13. Jh. an, als Bruch zwischen Religion und Kultur […] ausleben musste […]. Die nächsten sechs Jahrhunderte führen bis in die heutige Zeit hinein.“ (II. Buch, 1918, S. 66-67)
- Steiner: „[…] dass in der Entwicklung der Menschheit auch wieder noch kleinere Epochen sich bilden […]. So haben wir die Wiederholung eines früheren Zeitraumes in einem späteren […] bis ins 12.-13. Jh. hinein […] Das heißt… wir haben – nachdem ein Zeitraum von sechs Jahrhunderten ausgesondert ist – vom 6. Jh. angefangen, in die nächste Zeit hineinragend […] in der Religion, welche die Araber von Afrika bis nach Spanien hinübergetragen haben, diejenige Religion, die unter Nichtberücksichtigung des eigentlichen Christus-Impulses eine Art von Wiederaufrichtung der Jahve-Mondreligion in einer andern Form darstellt (Mahomet-Religion) […].
Wir müssen uns ungefähr sechs bis sechseinhalb Jahrhunderte lange Epochen denken gerade für solche Impulse, wie sie jetzt angeführt worden sind […]. Die griechische Zeit bildet eine nachströmende Welle; das ist das, was wir die Zeit der Renaissancekultur nennen, die nun durch die nächsten Jahrhunderte alles, was schon da war, befruchtet […]. Und es bedeutet wieder einen Zeitraum von sechs Jahrhunderten – d.h. bis in unsere Zeit herein – dass sozusagen diese griechische Welle sich auslebt […]. Wir leben […] in einem Übergang, insofern, als wir wieder vor dem Beginn auch einer sechshundertjährigen Kulturwelle stehen.“ (GA 124, 13.3.1911)
- Die Vereinigung des Sonnengeistes Christus mit der Erde
Intermediarius: „Durch das Wesen Christi hat die Kraft der Sonnenregion sich im geistigen Sinne mit der Erde vereinigt.“ (I. Buch, 1933, S. 170) – Vergleiche R. Steiner, u.a. GA 103, 26.5.1908; GA 183, 24.8.1918.
- Die spezielle Bedeutung des 13. Jahrhunderts für die Menschheitsentwicklung
Intermediarius: „So haben gerade in der Zeit, als die Mysterien der Erlösung ihre Wirkung auf Erden beschränkten […] In dem Übergang aus dem Mittelalter zur Renaissance […] wurde aus den Mysterien der Erweckung die vertikale Linie der Höhe und Tiefe in die damalige Kultur hineingetragen auf eine Weise, die jener Zeit und jener Menschheit angepasst war […]. Als Vertreter der Mysterien der Erlösung boten die Mysterien der Erweckung nach dem 13ten Jhdt. die Möglichkeit, durch ihre Vermittlung sowohl den Weg, der in die Regionen des Kosmos hinausführte, wie der, welcher das menschliche Bewusstsein in die Natur seiner Hülle hineinversetzt, zu betreten.“ (II. Buch, 1918, S. 66, 87)
- Steiner: „Die besondere Aufgabe: ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen den Prinzipien des Hellsehens und dem der Einweihung, trat in der neueren Zeit an die führenden Mächte der Menschheit heran […]. Es wurde dies notwendig in der Zeit, als die Menschheit eine Krisis durchmachte in bezug auf ihr höheres Erkennen. Diese Zeit ist die des 13ten Jhdts. […]. Ungefähr das Jahr 1250 ist die Zeit, in welcher die Menschen dazu kommen mussten, die Grenze zu ziehen zwischen dem, was man glauben muss nach dem Eindrucke, den die überkommenen Überlieferungen machten, und dem, was man erkennen kann […]. Als das Jahr 1250 heranrückte, begann eine neue Art der Führung zu den übersinnlichen Welten.“ (GA 15, 2. Vortrag, 1911; siehe noch dazu: GA 130, 27.9.1911 u. 27.1.1912)
5. Argumente gegen die Kritiken an der Anthroposophie
Im Teil II dieser Studie (s. Novalis 3/4 2001) wurde von Anhängern Intermediarius behauptet, dass die Anthroposophie bloß eine „kosmische“ Lehre sei und dass sie die höheren göttlich-himmlischen Welten nicht in ihren Betrachtungen miteinbeziehe. Diese Behauptung ist angesichts bestimmter Äußerungen des Intermediarius in ihren Werken nicht aufrecht zu erhalten. – Nach Intermediarius gibt es tatsächlich ein Gebiet innerhalb des dualistischen und vergänglichen Kosmos, das frei ist von dessen Gesetzen und welches den Charakter der Ewigkeit und der Unvergänglichkeit in sich trägt. Dieses Gebiet ist die Sonnensphäre. Intermediarius bezeichnet diese Sphäre als ein Abbild der Himmelsrose, als „Paradies“ und als Reich der wahren Hierarchien, wie aus den folgenden Textstellen ersichtlich ist: „Das Reich des Himmels wird von den Gesetzen des Raumes und der Zeit nicht berührt; dasselbe gilt auch für das wahre Abbild desselben innerhalb der kosmischen Regionen.“ (III. Buch, 1933, S. 24)
„Die in der Mitte der kosmischen Planetensphären stehende Sonnensphäre spiegelt das siebenfache Licht des Archäums, sowie die im Kosmos wirkenden Hierarchien am getreuesten wieder […]. Das Abbild des himmlischen Paradieses findet deshalb das menschliche Bewusstsein zuerst, wenn […] zur Sonnensphäre aufgestiegen ist.“ (III. Buch, 1933, S. 116)
„Die Sonnensphäre, in der die Wesen der Hierarchien sich zusammenfinden, wird in der Gestalt der Himmelsrose demjenigen Menschen sichtbar, der unter Führung der Mysterien der Erweckung diese hierarchischen Wesen in den sieben Sphären erschaut und erlebt und dann die Verbindung, die der Sonnenmensch einstmals mit denselben hatte, wieder herstellen kann.“ (III. Buch, 1933, S. 147)
„Es tritt das menschliche Bewusstsein in Beziehung zu dem Reiche der göttlichen Boten, welche in den makrokosmischen Regionen tätig sind. In diesem Reiche, welches als das Paradies bezeichnet wird, kann das menschliche Bewusstsein sich selbst erleben in Gegenwart dieser göttlichen Boten.“ (II. Buch, 1918, S. 81)
In der Anthroposophie nimmt gerade das große Sonnenmysterium durch seine tiefe Beziehung zu Christus eine zentrale Stelle ein. Das gleiche gilt auch für die umfassende Lehre über die Hierarchien. – Vergleiche dazu:
GA 183, 24.8.1918: Der Zusammenhang des Christus mit dem Sonnenmysterium
GA 201, 9.5.1920: Das Sonnenmysterium
GA 202, 24.12.1920: Der Zusammenhang zwischen dem Sonnenmysterium und dem Christus-Mysterium
GA 211, 12 Vorträge, 1922: Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung
GA 110, 10 Vorträge, 1909: Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelungen in der physischen Welt
GA 136, 11 Vorträge, 1912: Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen
Rudolf Steiner habe keine tieferen Einsichten in die höheren göttlich-himmlischen Welten gegeben? Das Gegenteil wird durch die folgenden Äußerungen und Hinweise ersichtlich:
- Über Gott
„Wenn der Geisteswissenschaft vorgeworfen wird, sie spreche nicht von einem persönlichen Gott, wenn gesagt wird, dass sie selber es vorzöge, von der Gottheit, nicht von Gott, zu sprechen; wenn die Behauptung getan wird, als ob dasjenige, was als das Göttliche bezeichnet wird, in der Geisteswissenschaft einen ähnlichen Charakter annehme wie im Pantheismus der Monisten oder Naturalisten, so ist von alle dem das Gegenteil richtig. Gerade der Umstand, dass man in der Geisteswissenschaft zu realen geistigen Wesenheiten geführt wird, […] führt auch zu einem vollständigen Verstehenkönnen, wie ungereimt es ist, sich zu einem Pantheismus sich zu bekennen, wie widersinnig es ist, die Persönlichkeit in Gott leugnen zu wollen. Im Gegenteil, dazu kommt man, einzusehen, dass man nicht nur von der Persönlichkeit, sondern sogar von einer Überpersönlichkeit Gottes sprechen kann. Die gründlichste Widerlegung des Pantheismus kann gerade durch die Geisteswissenschaft gefunden werden […]. Aber Gott anzuerkennen, als ein Wesen, das in einem viel höheren Sinn noch als der Mensch, in einem Sinn, den man auch durch Geisteswissenschaft nicht einmal voll ahnen kann, Persönlichkeit hat, das wird insbesondere durch die Anthroposophie so recht den Menschen, ich möchte sagen, natürlich. Religiöse Begriffe werden durch die Geisteswissenschaft nicht im pantheistischen Sinne vernebelt, sondern ihrer Wesenheit nach vertieft.“ (GA 35, 11. Jan. 1916)
- Über Christus
„Elohim ist der Gesamtname für die Sonnenwesen […]. Christus, der Höchste der Elohim, ist der Regent derselben. Er gehört aber nicht zu den Hierarchien, sondern zur Trinität.“ (GA 11, 21.4.1909)
„Wer das Kreuz auf Golgatha schaut, der muss zugleich die Trinität schauen, denn Christus zeigt in Wirklichkeit in seinem ganzen Verwobensein mit der irdischen Menschheitsentwickelung die Trinität.“ (GA 214, 30.7.1922)
„Wir müssen stark fühlen das Ende dieser Welt, die die Welt des Vatergottes ist, […] und wie wir dadurch zu einem innerlichen Verstehen des Mysteriums von Golgatha kommen, zu jenem innerlichen Verstehen, durch das uns anschaulich wir, wie das, was im Sinne der Vatergott-Schöpfung an ein Ende kommt, durch den Sohnesgott wiederum auflebt, wie ein neuer Anfang gemacht wird.“ (GA 207, 24.9.1921)
„Dann lernen wir begreifen, wie in der Tat der Logos übergegangen ist durch das Mysterium von Golgatha von dem Vater auf den Sohn.“ (GA 221, 18.2.1923)
- Über die höheren Hierarchien
„Wenn wir über die Seraphim hinaufgehen würden, würden wir in das Gebiet der göttlichen Trinität hineinkommen. Was ist es denn, was die Seraphim, Cherubim, Throne als etwas ganz Besonderes haben vor allen anderen Wesenheiten in der Welt? Sie haben, was man genannt hat den ‚unmittelbaren Anblick der Gottheit‘. Was der Mensch sich durch seine Entwickelung nach und nach suchen muss, das haben sie von allem Anbeginn an. Wir Menschen sagen: Wir müssen von unserem heutigen Standpunkte ausgehen, um immer höhere Kräfte der Erkenntnis, des Willens und so weiter zu erlangen; dadurch werden wir immer näher und näher der Gottheit kommen, immer gegenwärtig wird uns die Gottheit sein. Aber wir sagen uns: Wir entwickeln uns zu etwas hinauf, was uns noch verschleiert ist, zur Gottheit hin.
Das macht den Unterschied aus zwischen den Seraphim, Cherubim, Thronen und dem Menschen: dass vom Anbeginn unserer Entwickelung an diese höchsten Wesenheiten der geistigen Hierarchien unmittelbar herum sind um die göttliche Wesenheit, um die göttliche Trinität, dass sie den Anblick der Gottheit von Anbeginn an genießen. Wozu der Mensch sich entwickeln soll, das haben sie vom Anbeginn. So also ist es unendlich wichtig, zu wissen, dass diese Wesenheiten, wenn sie entstehen, Gott anschauen, dass sie, indem sie leben immerfort Gott anschauen. Was sie nun tun, was sie vollbringen, sie tun es aus ihrer Gottesanschauung heraus, Gott tut es durch sie. Sie könnten gar nicht anders, es wäre ihnen unmöglich, jemals anders zu handeln, als sie es tun, denn die Gottesanschauung ist eine so starke Kraft, hat eine solche Wirkung auf sie, dass sie mit unmittelbarer Sicherheit und unmittelbarem Impulse dasjenige in Szene setzen, was die Gottheit ihnen aufträgt […]. Und dabei sehen sie die Gottheit in ihrer ursprünglichen, wahren Gestalt, so wie diese Gottheit ist. Sie selber aber sehen sich nur wie die Vollstrecker des göttlichen Willens, der göttlichen Weisheit an. So ist es bei der höchsten Hierarchie.“ (GA 110, 18.4.1909, abends)
- Über die Spiegelung der Trinität als himmlische Triade
– Privatlehrstunde, Sommer 1903, GA 88, S. 166-171: „Der erste, zweite und dritte Logos“.
– Vortrag vom 11.11.1903 (GA 88): „Die drei Logoi“.
– Vortrag vom 2.7.1904 (Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, 1979, Heft 67/68): „Die Logoi“.
- Über die drei höchsten Himmel
Sie sind bei R. Steiner als „Nirvanaplan“, Paranirvanaplan“ und „Mahaparanirvanaplan“ bezeichnet. Siehe dazu: GA 93a, 30.9.1905; GA 94, 2.6.1906; GA 137, 12.6.1912.
Speziell über den „Kristallhimmel“ sagte er:
„Dasjenige, was da angekommen war im Beginne unserer Erdenentwickelung vor der Saturn-Entwickelung, das müssen wir auswärts setzen, außerhalb des Tierkreises. Die Urweltweisheit hat es genannt den Kristallhimmel.“ (GA 110, 18.4.1909, abends)
- Über die Urbilderwelt („Archäum“ bei Intermediarius)
„… so dass wir hinaufsteigen in den Makrokosmos von Stufe zu Stufe durch die elementarische Welt, durch die geistige Welt (niedere Devachan), durch die Vernunftwelt (höhere Devachan) und durch die Urbilderwelt.“ (GA 119, 26.3. 1910)
„Alles Physische um uns her entsteht und vergeht, nur die Urbilder der Dinge entstehen und vergehen nicht; sie sind nicht geschaffen und vergehen nicht, sie sind ewig. Die physische Erde entsteht und vergeht, aber das Urbild der Erde entsteht und vergeht nicht […]. Der Mensch entsteht und vergeht physisch; aber für jeden Mensch ist ein Urbild da; das ist ewig […]. Das Aum ist das Hinübergehen aus den Abbildern zum Urbild zurück, das Aufgehen in dem Unvergänglichen […]. Das ist, was auch in dem Ostergedanken liegt. Es ist die Auferstehung des Menschen aus dem Haften am Vergänglichen und Materiellen in die ewigen Regionen der Urbilder hinein.“ (GA 245, E.S. 13.4.1906)
In anderen Vorträgen nennt Rudolf Steiner die Urbilderwelt die „Buddhisphäre“ oder den „Shushuptiplan“ (GA 93a, 30.9.1905), oder auch die „Welt der Vorsehung“, in welcher die 12 erhabenen Bodhisattvas den Christus als die wahre Lebensquelle des Universums anerkennen. (GA 116, 25.10.1909)
Die Intermediarius-Zitate sind unverändert wiedergegeben worden
(z.B. Hierarchieen, Seraphime, Trone).
Autorennotiz: Imre Boejtes (*1953), ungarisch-slawischer Herkunft, lebt in Dornach. Kindheit und Jugend in Brüssel; Abitur, Studium (Elektronik, Informatik). Aufenthalt in einem tibetisch-buddhistischen Kloster in Brüssel und in Südfrankreich.
1979 Begegnung mit der Anthroposophie. Malereistudium am Goetheanum in Dornach, anschl. Kunstlehrer an der Rudolf-Steiner-Schule Lausanne. Seit 1988 Mitarbeiter der Bibliothek am Goetheanum.
Die vier Teile dieser Aufsatzreihe wurden zuerst veröffentlicht in Schaffhausen (CH) in der Zeitschrift NOVALIS – Zeitschrift für spirituelles Denken (Jg. 2001)
Teil I: Jg. 2001 Nr. 1/2 (S. 65 f.)
Teil II: Jg. 2001 Nr. 3/4 (S. 70 f.)
Teil III: Jg. 2001 Nr. 5/6 (S. 16 f.)
Teil IV: Jg. 2001 Nr. 9/10 (S. 24 f.)
[1] Studienhefte für Anthroposophie 1949. Jg. 3, Nr. 5 und 1950, Jg. 4, Nr. 6
[2] Prof. Dr. Martin Kriele ist 1996, nach 35 Jahren Mitgliedschaft, aus der Anthroposophischen Gesellschaft ausgetreten. Die Gründe sind dargestellt im Epilog seines Buches Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers. Freiburg 1996.
[3] Klaus J. Bracker, Schriftsteller, veröffentlicht regelmäßig in der Zeitschrift Novalis.
[4] Dr. Hubert Palm ist bekannt als ‚Vater des biologischen Bauens‘ („Baubiologie“). Sein Grundwerk ist: Das gesunde Haus – Das kranke Haus und seine Heilung. – Die biologische Bauordnungslehre in der Architectura perennis. Konstanz 1975.
[5] Heide Willich, Lev L. Kobylinskij-Ellis: Vom Symbolismus zur ars sacra – Eine Studie über Leben und Werk. München 1996.
[6] Taja Gut (Hg.), Andrej Belyj – Symbolismus – Anthroposophie – Ein Weg. Dornach, 1997. (Vgl. Rezension in Novalis 2/1998)
[7] A. Belyj, Verwandeln des Leben, Basel 1975, S. 72, 211.
[8] Siehe Anm. 6, S. 53-54.
[9] Max Gümbel-Seiling, „50 Jahre seit Beginn der Münchener Uraufführung R. Steiners Mysteriendramen“ in Mitteilungen aus der anthropos. Arbeit in Deutschland. 1960, Nr. 54, und in Wolfram Groddeck (Hg.), Das Wirken Rudolf Steiners (Bd. III, 1907 bis 1917). Schaffhausen 1980, S. 18.
[10] A. Belyj, Geheime Aufzeichnungen – Erinnerungen an das Leben im Umkreis R. Steiners (1911-1915). Dornach 1992.
[11] Assja Turgenieff, Erinnerungen an Rudolf Steiner. Stuttgart 1972, S. 31.
[12] 12) Eintritt in die A.G. 1927, Austritt 1945.
[13] Studienhefte für Anthroposophie 1949, Jg. 3, Nr. 5 und 1950, Jg. 4, Nr. 6. Dazu noch eine Kritik durch R. Steiner der Schrift von A. Mager, Theosophie und Christentum (in GA 36, S. 244 f., Aufl. 1961. „Mein Erlebnis beim Lesen dieser Schrift“ von Alois Mager.
[14] Den Unterschied zwischen dem ungeoffenbarten Gott und der „himmlischen Triade“ im Sinne Intermediarius, drückt Jakob Böhme (1575-1624) in zwei Begriffen aus: 1. Ungrund, 2. Urgrund. – Eine ähnliche Anschauung über Gott und dessen „Spiegelung“ äußert auch der englische Arzt und Rosenkreuzer Robert Fludd (1574-1637). Er unterschiedet ebenfalls zwischen einem hocherhabenen Gott (der „Deus absconditus“) und dessen Spiegelungen als „Urvater“ („Voluntas Dei“) und als „Urmutter“ (Noluntas Dei“). Bei R. Fludd ist diese urmütterliche Komponente nur als eine potentielle Kraft vorhanden; deshalb nennt er es auch „Potentia Divina“, die chaotische Finsternis und es stellt die „Materia Prima“ der Alchymisten dar. – In diesem Zusammenhang sei noch die Lehre des Kabbalisten Isaac Luria (1534-1672) erwähnt. In seiner so genannten „Tsimtsum“-Theorie (Zurückziehung Gottes), stellt er die erste Offenbarung des höchsten Gottes, des Ain-Sof, dar als einen Akt des In-sich-selbst-Zurückziehens Gottes. Dadurch entsteht eine dynamische Polarität zwischen einem Zentrum (des in sich zurückgezogenen „Vaters“) und einer neu entstandenen Peripherie (die „Urmutter“).
[15] Eine erstaunliche Parallele in Bezug auf diese Darstellungen von Intermediarius findet man in den Schauungen der berühmten stigmatisierten Mystikerin und Seherin Anna K. Emmerich (1774-1824). Von Adam und Eva heißt es bei ihr: – „Vor der Sünde waren Adam und Eva ganz anders beschaffen, als wir elenden Menschen es jetzt sind. Mit der verbotenen Frucht aber nahmen sie Form […] und was geistig war, ward Fleisch, Sache, Werkzeug, Gefäß. […] Sie waren ganz leuchtend, mit Strahlen bekleidet wie mit einem Flor. Aus dem Munde Adams sah ich einen breiten Lichtstrom leuchten […] Um seinen Mund war eine Strahlensonne; um Evas Mund war dieses nicht […] Die Brust war mit Strahlen umgeben und mitten im Herzen sah ich eine leuchtende Glorie und darin ein kleines Bild, als halte es etwas in der Hand […] Auch aus ihren Händen und Füßen sah ich Lichtstrahlen fließen. Ihre Haare fielen in 5 leuchtenden Strahlenbündeln vom Haupte hernieder. […] Eva hatte mehr mit der Erde und den Geschöpfen zu tun, sie schaute mehr nieder und um sich her und schien neugieriger. Adam war stiller und mehr zu Gott empor gerichtet […] Denn sie fühlten nur Dank; Adam aber mehr als Eva, welche mehr an das Glück und die Dinge dachte, als an den Dank. Sie war nicht so in Gott, wie Adam, sie war mehr in der Natur mit ihrer Seele […] Ich sah [nach dem Sündenfall], als greife der Herr hinter ihm [Adam] her und als nehme Er ihm etwas hinweg; und es war mir, als werde das Heil der Welt daraus kommen. […] Das Paradies besteht noch immer. Es ist aber den Menschen ganz unmöglich, dahin zu gelangen. Ich habe gesehen, wie es noch in seinem Glanze besteht, hoch droben, von der Erde abgesondert.“ (A.K. Emmerich, Die Geheimnisse des Alten Bundes. Pattloch Verlag, 1990, S. 12-25.)